Freitag, 11. Mai 2007

Gastkommentar: Das Heiligendamm-Prinzip: Positive Rhetorik mit negativer Substanz

Von Frithjof Schmidt, MdEP

Die Sprache der G8 hat sich unter dem wachsenden Druck weltweiter Kritik verändert. Aber Auswirkungen auf die konkrete Politik sind kaum erkennbar. „Hilfe für Afrika, Transparenz der internationalen Kapitalmärkte, Soziale Globalisierung, Klimaschutz und der Kampf gegen HIV/AIDS“ – die Überschriften des deutschen G8-Präsidentschaftsprogramms versprechen Vieles und Richtiges. Aber in der praktischen Politik passiert dann wenig, manchmal sogar das Gegenteil von dem, was als Notwendigkeit postuliert wird. Es beginnt damit, daß die zentrale Frage der Legitimität dieser kleinen Staatengruppe als Entscheidungsgremium und ihr Verhältnis zur UNO auch auf der Tagesordnung für die Konferenz in Heiligendamm nicht auftaucht. Die illegitime Anmaßung, als kleine nicht repräsentative Gruppe wie eine Weltregierung zu agieren, bleibt das Grundprinzip der Konferenz. Außerdem wächst der Widerspruch zwischen Anspruch und Handeln.

Die Ministerkonferenzen zur Vorbereitung des Gipfels zeigen hier ein klares Muster. Zum Beispiel das Finanzministertreffen im Februar in Essen: Der Kampf für die Kontrolle internationaler Kapital-Spekulationsfonds (auch Hedge-Fonds oder „Heuschrecken“ genannt) war das zentrale Thema. Es gab kein Ergebnis. Gleichzeitig wurden konkrete Maßnahmen zur Öffnung der Kapitalmärkte der Entwicklungsländer besprochen. Also: Mehr Bewegungsfreiheit für die Spekulanten und ihre Fonds. Es wird über Kontrolle geredet und dann praktisch das Gegenteil beschlossen.

Zum Beispiel die Umweltministerkonferenz im März in Potsdam: Nicht einmal theoretisch konnte der Anspruch, den CO2-Ausstoß der G8 bis 2020 um mindestens 30% zu verringern, verankert werden. Von Verbindlichkeit durch Überwachung und Sanktionen ganz zu schweigen. Der Club der größten Klimasünder beschwört den Klimaschutz und weigert sich zugleich, konkrete Verantwortung zu übernehmen.

Und diese Liste setzt sich fort: Bei den internationalen Umwelt- und Sozialstandards, beim Schutz der biologischen Vielfalt und der Arten, bei der Verstärkung der Entwicklungshilfe, insbesondere für Afrika, bei der Reduzierung der Waffenexporte und der Abrüstung usw.. Dramatische Bekenntnisse, leere Versprechungen, kleine Taten. Alles spricht dafür, daß dies auch die Bilanz nach Heiligendamm bleibt.

Dr. Frithjof Schmidt ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Mitherausgeber von W&E.

Keine Kommentare: