Freitag, 20. April 2007

Gastkommentar: Konzert der Großmächte oder demokratische Global Governance?

Von Thomas Fues und Sachin Joshi

Dringender als je zuvor stellt sich auf dem Treffen der wichtigsten Industrieländer in Heiligendamm die Frage nach der Zukunft der Gipfelarchitektur. Der phänomenale Aufstieg der großen Schwellenländer, insbesondere Chinas und Indiens, hat eine neue Geographie der Weltwirtschaft und Globalpolitik hervorgebracht, die nicht mehr von vom Westen beherrscht werden kann. (Die militärische Hegemonie der USA ist ein anderes, wenn auch verbundenes Thema). Niemand hat dies klarer erkannt als die Bush-Regierung, wie der US-Politikwissenschaftler Daniel Drezner in der jüngsten Ausgabe von Foreign Affairs akribisch nachweist. Weitgehend unbemerkt von der internationalen Öffentlichkeit wollen die USA China und Indien in die multilateralen Institutionen einbinden und eine neue Triade der Großmächte installieren. Wer dabei stört, sind die europäischen Länder, die ihren Bedeutungsverlust im „asiatischen Jahrhundert“ nicht wahrhaben und an überholten Privilegien festhalten wollen.

Was kann Europa tun, um ein neues Konzert der Großmächte abzuwenden und einer demokratischen Global Governance zum Durchbruch zu verhelfen? Das Falscheste in dieser Situation wäre es, wenn die EU selber einen Großmachtstatus durch Aufbau militärischer Kapazitäten anstreben würde. Daran müßte die Union zerbrechen; ein Rumpfeuropa würde sich an dieser Anstrengung verheben. Der richtige Ansatz wäre hingegen, daß sich die EU konsequent zur Vorreiterin einen solidarischen Weltordnung aufschwingt und auf diese Weise Ansehen und Einfluß in der Welt mehrt. Dies schließt ein, daß die europäischen Länder überkommene Positionen räumen, um den aufsteigenden Mächten eine größere Gestaltungsmacht zu ermöglichen. Zum Beispiel sollten die EU-Staaten Stimmrechte und Sitze im IWF zusammenlegen und einer deutlichen Reduzierung zustimmen. Auch in einer reformierten Gipfelarchitektur, etwa in Form der angedachten „L20+“ von Staats- und Regierungschefs aus Nord und Süd (>>> W&E-Hintergrund Jul-Aug 2006), sollte die EU mit einem einzigen Sitz vertreten sein.

Wenn Europa nicht zum freiwilligen Machtverzicht und zum nachhaltigen Kurswechsel bereit ist, droht ein Konzert der Großmächte USA, China und Indien, das die Grundlagen der Vereinten Nationen unterhöhlen und demokratische Global Governance auf lange Sicht blockieren würde. Die europäischen Regierungen haben in Heiligendamm die Chance, demokratische Global Governance zu unterstützen. Die Frage ist, ob sie erste Schritte in diese Richtung tun werden.

Dr. Thomas Fues ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und Mitherausgeber von W&E; Sachin Joshi forscht zu Governance und Nachhaltiger Entwicklung in New Delhi/Indien und besucht derzeit die DIE-Global Governance School.

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