Slow Trade – Sound Farming. Handelsregeln für eine global zukunftsfähige Landwirtschaft
Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) und das katholische Hilfswerk Misereor präsentieren heute in Berlin einen Bericht mit Vorschlägen für eine grundlegende Reform des weltweiten Agrarhandels. Der Bericht Slow Trade – Sound Farming. Handelsregeln für eine global zukunftsfähige Landwirtschaft stellt die WTO mit ihrer reinen Marktliberalisierungslogik in Frage und setzt auf ein multilaterales Regelsystem, das nicht den undifferenzierten Abbau von Handelsschranken zum Ziel hat, sondern den Warenaustausch nach Prinzipien, wie Menschenrechte, Bewahrung der Umwelt, Multifunktionalität der Landwirtschaft und Extraterritoriale Verantwortung gestaltet.
„Während gegenwärtig der Abbau von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen oberstes Ziel in Welthandelsverträgen ist, um einen vereinigten globalen Markt zu schaffen, wäre das wichtigste Ziel einer Welthandelsinstitution der Zukunft, den Agrarhandel zu gestalten und nicht zu deregulieren“, sagt Wolfgang Sachs vom Wuppertal-Institut, einer der Hauptautoren der Studie. „Dazu wären u.a. mehr politischer Spielraum für die Nationalstaaten, eine koordinierte Angebotssteuerung zur Stabilisierung von Agrarpreisen sowie wirksame Wettbewerbsregeln und Qualitätsvorgaben für den internationalen Agrarhandel notwendig.“ Der Bericht empfiehlt sowohl aus entwicklungs- als auch aus umweltpolitischer Perspektive eine Priorisierung regionaler Agrarproduktion und regionalen Handels vor Weltmarktorientierung. Einfuhrzölle und -quoten sowie eine öffentliche Unterstützung der Landwirtschaft werden als Steuerungsinstrumente für legitim erachtet, solange sie einer sozial gerechten und nachhaltigen Entwicklung dienen.
Barbara Unmüßig vom HBS-Vorstand unterstreicht: “Eine rein ökonomische Perspektive verkennt die sozial- und umweltpolitische Bedeutung des Agrarhandels. Ein Paradigmenwechsel ist notwendig: Der weltweite Handel muß endlich so gestaltet werden, daß er den Anforderungen der Armutsbekämpfung und des Klimawandels gerecht wird.“ Die Chancen für einen Wandel stehen nicht schlecht: Auch wenn der G8-Gipfel in Heiligendamm Wiedebelebungsversuche unternehmen wird, drohen die Verhandlungen zu einer weiteren Liberalisierung des Agrarhandels im Rahmen der WTO derzeit zu scheitern.“ Josef Sayer von Misereor sagte bei der Präsentation des Berichts: „Aus allen Regionen der Welt berichten uns unsere Projektpartner über die verheerenden Auswirkungen von Freihandelsabkommen. Dazu gehört z.B. die Zunahme an Importen billiger Nahrungsmittel in einer Vielzahl von Ländern und deren ruinöse Folgen für den Marktzugang von Kleinbauern auf ihren lokalen Märkten.“
Eine Besonderheit des Berichtes ist seine Entstehungsmethode: Er ist erwachsen aus einem weltweiten Dialog, den sog. EcoFair Trade Dialogue, der in Nord und Süd geführt wurde und die Positionen und Erfahrungen einer großen Anzahl von Akteuren und Betroffenen aufgriff. In den letzten zwei Jahren wurden dazu Konsultationen in allen Kontinenten der Welt durchgeführt. Nun soll der EcoFair Trade Dialogue in eine zweite Etappe treten. Am 24. April findet in Berlin eine internationale Konferenz statt, auf der die Reformvorschläge präsentiert und mit prominenten Gästen aus der ganzen Welt diskutiert werden.
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