Donnerstag, 31. Mai 2007

Voller Erfolg: Oxfams Soul Sister-Summit eröffnet in Berlin den Reigen der G8-Konzerte


Gestern in der "Kultur-Brauerei": Sängerin Angelique Kidjo und Oxfam-Pressesprecher Jörn Kalinski rufen zur SMS an Angela Merkel auf. Weitere Impressionen vom Konzert auf der Photo-Strecke (Craig Owen/Oxfam).

Die Stunde der Kanzlerin: Glaubwürdigkeit in puncto Afrika

Eine Woche vor dem G8-Gipfel hat die internationale Entwicklungsorganisation ActionAid eine Studie präsentiert, die bezweifelt, ob die G8 in puncto Afrika wirklich mit einem Ergebnis aufwarten kann, das der Rede wert ist. Die Studie (>>>Merkel’s moment – The G8’s credibility test on Africa) belegt, daß die Entwicklungshilfe der G8-Länder 2006 um 8 Mrd. US-Dollar unterhalb dessen lag, was sie 2005 in Gleneagles zusagten. Deutschland, Frankreich und Italien seien mit etwa 2 Mrd. Dollar für diesen Rückstand mitverantwortlich. “Es ist Zeit, daß sie ihre Versprechungen finanziell unter Beweis stellen”, sagt Collins Magalasi, der Leiter des ActionAid-Programms in Südafrika

Jetzt, wo die Glaubwürdigkeit der G8 auf dem Spiel steht, sei es insbesondere an Bundeskanzlerin Merkel, das Steuer herumzureißen und zum Beispiel zur Rettung des Lebens von 25 Millionen AfrikanerInnen beizutragen, die derzeit mit HIV leben müssen, argumentiert der Report. Um ihren 2005 eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, sollte die G8 einen Plan für den Kampf gegen HIV/Aids beschließen, der die Finanzierungslücke von derzeit schätzungsweise 8-10 Mrd. Dollar schließt. Dabei sollte anerkannt werden, daß die Gewalt gegen Frauen und Mädchen eine Hauptursache für die Ausbreitung von HIV/Aids ist. Notwendig sei zugleich ein Jahres- und Zeitplan, der die Umsetzung der 2005 zugesagten zusätzlichen Entwicklungshilfe für Afrika von 50 Mrd. US-Dollar pro Jahr bis 2010 sicherstellt.

Darüber hinaus ruft ActionAid die G8 dazu auf, die in ihren Ländern beheimateten Unternehmen auch für deren Aktivitäten im Ausland verantwortlich zu machen. Bei künftigen Klimaschutzabkommen müsse sichergestellt werden, daß die Entwicklungsländer die Technologie und die finanziellen Mittel erhalten, die sie für die Anpassung an den Klimawandel benötigen.

Die ökologische Schuld des Nordens: Oxfam berechnet die Reparationsverpflichtungen der G8

Kurz vor der Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio sprach der damalige Umweltminister Töpfer erstmals von der ökologischen Schuld des Nordens gegenüber dem Süden. Jetzt hat Oxfam diese ökologischen Schulden erstmals quantifiziert. Danach sind die G8-Länder für 80% der 50 Mrd. US-Dollar aufkommen, die jährlich benötigt werden, damit die Entwicklungsländer die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels bewältigen können. Nach einem neuen Oxfam-Bericht (>>> Adapting to Climate Change) wirkt sich der von Menschen gemachte Klimawandel schon heute verheerend für die Ärmsten aus, die für den Ausstoß von Treibhausgasen am wenigsten verantwortlich sind, doch am wenigsten in der Lage sind, sich an den Klimawandel anzupassen. Es könne nicht erwartet werden, daß die Entwicklungsländer die Rechnung für die von den Industrieländern verursachten Emissionen bezahlen. In Heiligendamm müßte die G8 damit beginnen, weitere Klimaschäden zu stoppen, indem sie sich auf eine Obergrenze von 2° C für die Erderwärmung einigen und damit beginnen, ihren fairen Anteil in einen Klimaanpassungsfonds einzuzahlen.

Nach der Studie handelt es sich bei den 50 Mrd. Dollar jährlich um eine konservative Schätzungen, die scharf ansteigen wird, wenn die Emissionen nicht drastisch gekürzt werden, so daß die globale Erwärmung unter 2° C gehalten wird. Wichtig sei, daß die G8 dem Beispiel der Niederlande folgen und die ökologischen Schulden zusätzlich zu den 0,7% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aufgebracht werden. Der Bericht schätzt den Anteil, den jedes Land zur Finanzierung der Anpassungskosten an den Klimawandel beitragen sollte. Die Rangfolge der Länder ergibt sich dabei aus ihrer Verantwortung für die zwischen 1992 und 2003 angefallenen CO2-Emissionen und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (auf der Basis des Human Development Index der UN). Danach sind die USA zu 44% (entspricht 22 Mrd. US-Dollar pro Jahr) für die in den Entwicklungsländern anfallenden Anpassungskosten an den Klimawandel verantwortlich, Japan zu fast 13% (6,5 Mrd.), Deutschland zu über 7% (3,5 Mrd.), Großbritannien zu über 6% (2,5 Mrd.), Italien, Frankreich und Kanada zu jeweils 4-5% sowie Spanien, Australien und Südkorea zu jeweils 3%.

Gerechtigkeit heiße, so argumentiert die Studie, daß die reichen Länder für die Schäden bezahlen, die sie denen zufügen, die am wenigsten für das Problem verantwortlich sind. Darüber hinaus sei der Aufbau von Vertrauen zwischen den Nationen entscheidend für den Erfolg jeder wirklich globalen Übereinkunft zur Bekämpfung des Klimawandels.

Mittwoch, 30. Mai 2007

Verbindlichkeit und Augenhöhe: Regeln für eine neue, globale Ressourcenpolitik

Gut eine Woche vor Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm präsentierte die Heinrich-Böll-Stiftung heute im Beisein von Entwicklungsminiserin Heidemarie Wieczorek-Zeul ihr Memorandum Haben und Nichthaben. Das von einer internationalen Expertengruppe verfaßte Memorandum beschreibt den Klimawandel, die ökologischen und sozialen Aspekte der Ressourcenausbeutung, Korruption, Menschenrechtsverletzungen, gewaltsame Konflikte und den Zusammenhang zwischen Investitionsbedingungen und Demokratieentwicklung als die dringendsten Herausforderungen für eine globale Ressourcenpolitik im 21. Jahrhundert. Dabei konzentriert sich das Papier auf das internationale Steuerungs- und Regelungssystem. Es analysiert bestehende Initiativen, Standards und Mechanismen und formuliert politische Forderungen und Empfehlungen an die G8-Staaten. Die Auswirkungen der zunehmenden internationalen Konkurrenz um Ressourcen und das Thema "Transparenz im Rohstoffsektor" stehen auch auf der Tagesordnung des offiziellen G8-Gipfels.

International unterstützt wird das Memorandum der Heinrich-Böll-Stiftung bereits jetzt u.a. von der liberianischen Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, dem US-amerikanischen Investmentbanker und Gründer des Open-Society-Instituts George Soros, dem Regisseur des Films "Blood Diamond" Ed Zwick und Peter Eigen, Gründer von Transparency International und Vorsitzender der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI). "Ein verantwortungsvoller Umgang mit natürlichen Ressourcen steht mittlerweile auch auf der Agenda der G8-Staaten“, erklärte Barbara Unmüßig, HBS-Vorstandsmitglied. „Aus unserer Sicht mangelt es aber an wirklichen Reformansätzen. Es genügt nicht, bereits beschlossenen Standards und freiwilligen Verpflichtungen symbolisch den Rücken zu stärken. Notwendig ist die Schaffung eines Bündels von verbindlichen Regeln, die mit allen relevanten Akteuren - also auch Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien - auf Augenhöhe verhandelt werden müssen. Dafür möchten wir mit dem Memorandum 'Haben und Nichthaben' einen starken zivilgesellschaftlichen Impuls zum G8-Prozeß geben und einen nachhaltigen Beitrag für zukünftige politische Debatten über den Umgang mit natürlichen Ressourcen leisten. Mit dem Memorandum legen wir einen Vorschlag für ein politisches Programm vor, das sich auf gemeinsame Prinzipien und Handlungsempfehlungen für eine faire, gerechte und ökologisch ausgerichtete Ressourcenpolitik verständigt."

Anläßlich der deutschen G8-Präsidentschaft in diesem Jahr hatte die Heinrich-Böll-Stiftung einen eigenen Dialogprogramm initiiert, um zivilgesellschaftliche Perspektiven und Vorschläge für eine verbesserte ökologische, verteilungsgerechte und transparente Ressourcenpolitik im 21. Jahrhundert als Erweiterung und Alternative zum G8-Prozess in die Öffentlichkeit zu bringen.

Montag, 28. Mai 2007

Gastkommentar: Für eine Renaissance der Abrüstungsdebatte

Von Claudia Roth, MdB

Die weltweiten Ausgaben für Rüstung haben erstmals die Grenzen von 1000 Mrd. € überschritten. Das meldete letzte Woche das Internationale Konversionszentrum Bonn (BICC). Damit stiegen die weltweiten Rüstungsausgaben seit 2001 um 25%. Die G8-Staaten sind dabei für die höchsten Militärausgaben, Rüstungsarsenale sowie Nuklear- und Rüstungsexporte verantwortlich. Allein auf die USA entfallen ca. 46% aller Militärausgaben. Zudem wird das Gros der atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen, der Streubomben, Antipersonenminen und Kleinwaffen in den Staaten der G8 hergestellt, gelagert oder von diesen Staaten exportiert. Den G8-Staaten kommt daher für den Abbau der Rüstungspotentiale, die Nichtweiterverbreitung von Waffen jeglicher Art und eine effektive Politik der zivilen Krisenprävention eine entscheidende Rolle zu.

Doch bisher erleben wir keine Anstrengungen, diese Potentiale abzubauen. Im Gegenteil. Wir erleben eine sich immer schneller drehende, gefährliche Spirale der Aufrüstung. Rußland will aus dem KSE-Vertrag aussteigen, plant eine Modernisierung seiner Atomstreitkräfte und die Stationierung neuer Interkontinentalraketen. Großbritannien modernisiert seine Trident-Atomrakten, und Frankreich ändert seine Nukleardoktrin und droht, künftig Atomwaffen „flexibel“ einzusetzen. Die USA wollen neue Atomsprengköpfe entwickeln, durchlöchern mit dem Nukleardeal mit Indien den Nichtverbreitungsvertrag und heizen mit der Debatte um die Raketenabwehr Aufrüstungsbestrebungen an. Mittlerweile steigen die USA und Rußland wieder in einen Teufelskreis der Aufrüstung und Konfrontation ein, der die Stabilität der internationalen Beziehungen bedroht.

Auch die Krise um die atomare Bewaffnung von Nordkorea, das Atomprogramm des Iran und das US-indische Atomgeschäft verdeutlichen, daß wir vor einer entscheidenden weltpolitischen Weichenstellung stehen. Es droht ein neuer Rüstungswettlauf, an dessen Ende eine Vielzahl neuer Atomwaffenstaaten, Nuklearterrorismus und der Kollaps der vertragsgestützten Rüstungskontrolle stehen könnte. Diese Entwicklung läßt sich nur durch eine neue und ernsthafte Abrüstungs- und Nichtverbreitungsinitiative stoppen.

Um von Nicht-Kernwaffenstaaten glaubhaft den Verzicht auf Atomwaffen verlangen zu können, müssen die Atomwaffenstaaten ihren Verpflichtungen zur irreversiblen nuklearen Abrüstung nachkommen. Hierzu gehören das rasche Inkrafttreten des Atomteststoppvertrages und der überprüfbare Abbau der taktischen Atomwaffenpotentiale Rußlands und der USA, inklusive der in Deutschland und Europa stationierten US-Atomwaffen. Dabei muß die Bundesregierung deutlich machen, daß sie einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten US-Atomwaffen begrüßt und bereit ist, aus der aktiven nuklearen Teilhabe baldmöglichst auszusteigen.

Es ist ein schwerer Fehler, daß von Seiten der Bundesregierung keine substantiellen Vorschläge für eine Abrüstungspolitik erfolgen. Sie macht sich damit mitverantwortlich für die gefährlichen Entwicklungen. Dringend bedarf es einer Renaissance der Abrüstungsdebatte. Es sieht alles danach aus, als würde die deutsche Bundesregierung ihre Chance, die sich aus der Doppelpräsidentschaft bei G8 und EU ergibt, verspielen.

Claudia Roth (auf dem Photo bei einer Protestaktion vor dem Sicherheitszaun in Heiligendamm) ist Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des Deutschen Bundestags.

Gastkommentar: Der ökonomische Tunnelblick der Handelsdiplomatie

Von Wolfgang Sachs

Seit Angela Merkels Regierungserklärung vom letzten Donnerstag gehört die „Liberalisierung des Welthandels“ jetzt auch offiziell zu den Schwerpunktthemen des G8-Gipfels in Heiligendamm. Im Mittelpunkt der Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO), deren baldigen Abschluß die G8 wieder einmal fordern wird, steht die Reform des Agrarhandels. Doch die angestrebten Neuerungen verheißen nichts Gutes für die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft auf dieser Welt. Obwohl die Landwirtschaft den „Knackpunkt“ der WTO-Verhandlungen bildet, zeigen die Handelsdiplomaten wenig Interesse an Zustand und Schicksal der Landwirtschaft weltweit. Sie nehmen kaum Anteil an der Not der Kleinbauern in Indien, der zurückgehenden Artenvielfalt beim Kartoffelanbau in den Anden oder den Auswirkungen der Erderwärmung auf die Reiserträge in Vietnam. Der alltägliche Kampf ums Überleben, der Bäuerinnen und Bauern und ihren Familien weltweit schwer zu schaffen macht, wird praktisch aus den Verhandlungen ausgeblendet.

Statt dessen drehen sich die Gespräche um Themen wie Importzölle oder Ausfuhrsubventionen, Zugangsstandards und Schutzklauseln, von denen die meisten höchst komplex und undurchschaubar sind. Allerdings ist das nicht überraschend, denn die Handelspolitik behandelt die Landwirtschaft nur als einen Geschäftszweig, der Waren zum Verkauf gegen Devisen herstellt. Die Unterhändler sehen in Agrarexporten lediglich ein Werkzeug zur Steigerung der Wirtschaftsleistung ihrer Länder, kümmern sich aber wenig um die Folgen dieser Strategie für Bauern und ihre natürlichen Produktionsgrundlagen.

Der ökonomische Tunnelblick der Handelsdiplomatie ist der tiefere Grund, warum der liberalisierte Agrarhandel die verzweifelte Lage kleiner bäuerlicher Betriebe verschlimmert und damit die globale Armutskrise verschärft. Wenn das Agrarwesen in den globalen Markt eingegliedert wird, steigt allenthalben die Zahl der Armen, Marginalisierten und Enteigneten. Und ebenfalls ist dieser Tunnelblick der Grund dafür, daß der liberalisierte Agrarhandel die globalen Ökosysteme noch stärker belasten wird und damit die globale Krise der Biosphäre verschärft. Denn der unregulierte Handel über riesige Entfernungen mit großen Mengen an Agrarprodukten und Fleisch führt zum Auftrieb der industriellen Landwirtschaft in Ländern des Südens wie des Nordens. Und die hat brisante Folgen: Sie verbraucht im Übermaß Land, Wasser und Brennstoff und stößt Unmengen an Chemikalien und Nitraten aus.

Dr. Wolfgang Sachs ist Mitarbeiter des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Mit Tilman Santarius war er zuletzt Hauptautor des Memorandums: Slow Trade - Sound Farming. Handelsregeln für eine global zukunftsfähige Landwirtschaft, Misereor/Heinrich-Böll-Stiftung: Aachen-Berlin 2007 (www.ecofair-trade.org)

Sonntag, 27. Mai 2007

Kunstsommer hat begonnen: ART GOES HEILIGENDAMM

Nicht in Kassel, Venedig oder Basel hat der Kunstsommer in diesem Jahr begonnen, sondern in und um Rostock, wo in der letzten Woche ART GOES HEILIGENDAMM. ART GOES PUBLIC eröffnet wurde. Bis zum 9. Juni laufen die von der ehemaligen Berliner Kultursenatorin und Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds Adrienne Goehler kuratierten künstlerischen Interventionen zum G8-Gipfel – insgesamt ein vielfältiges Programm mit international renommierten KünstlerInnen, Installationen, Theaterperformances, Workshops, Vorträge und Talkshows. Zum Selbstverständnis des Projekts haben die Organisatoren formuliert:

„ART GOES HEILIGENDAMM versteht sich als Experiment zur Erweiterung des gesellschaftlichen Resonanzraums von Kunst. ART GOES HEILIGENDAMM stellt sich der Herausforderung, eine Verflüssigung der Wahrnehmungs- und Aktionsformen zwischen den Künsten und den sozialen Bewegungen zu ermöglichen, es geht um plurale Sichten auf die Auswirkungen von Globalisierung, um die Eröffnung eines visuellen und diskursiven Erfahrungsraums jenseits von Gut und Böse, pro und contra. Die Intention ist, aus der dualen Logik Gipfel - Gipfelgegner auszubrechen und mit künstlerischen Mitteln zur Wahrnehmungserweiterung von Globalisierung und zur Deeskalierung vor Ort beizutragen.“

Die Interventionen und Veranstaltungen finden an verschiedenen Plätzen im Raum Rostock statt (siehe Lageplan). Zentrum und Anlaufzentrum, wo selbst viele Kunstobjekte installiert, aber auch eine Bar und eine Restaurant zu finden sind, ist das Silver Pearl Congresscenter & Spa. Auf dem Gelände am Stadthafen in Rostock, Am Strande 6, hat raumlabor_berlin eine temporäre multifunktionale Installation errichtet. Sie spielt auf die Selbstdarstellung des Kempinski Heiligendamm – „Die weiße Perle“ – an, in dem der offizielle G8-Gipfel stattfindet. Es gibt auch tatsächlich ein Kurhaus, eine Badeanstalt, einen Golfplatz, komfortable Schlummersuiten mit Meerblick, internationale Kunst und einen Sicherheitszaun. Allerdings ist das Silver Pearl im Gegensatz zur weißen Perle ein Ort für öffentliche Gespräche, Vorträge und Reflexion über die großen Themen der Globalisierung und die lokalen Geschehnisse.

ART GOES HEILIGENDAMM fordert ein Nachdenken der Politik über das Potential von Kunst im Rahmen gesellschaftlich polarisierender Großereignisse. Partner des Projekts sind u.a. der G8-Alternativ-Gipfel, Dropping Knowledge, Slobodnakultura, Belgrad; NOMAD Theatre Wien sowie das World Parliament of Clowns.

Freitag, 25. Mai 2007

Töpfer warnt vor Scheitern des Gipfels, Merkel dämpft klimapolitische Erwartungen

Der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer hat vor einem Scheitern der Klimaschutzgespräche beim bevorstehenden G8-Gipfel in Heiligendamm gewarnt. Was bei der G8-Runde nicht erreicht werden kann, werde extrem schwer auf der Klimakonferenz in Bali im kommenden November erreicht werden können, sagte Töpfer bei einer Anhörung des Bundestages zum Klimawandel in dieser Woche. Gleichzeitig hob der ehemalige Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) hervor, daß es zwar keinen "sinnvollen Zweifel" am Klimawandel gebe, aber noch immer eine Reihe offener Fragen. Die Welt befinde sich bereits an der "Schwelle der Übernutzung", denn bisher habe jeder die Atmosphäre nutzen können, ohne dafür einen Preis zu bezahlen. Dabei seien jedoch die G-8 Staaten für 60% der CO2-Emissionen verantwortlich, so Töpfer. Er sprach sich daher dafür aus, gerade die Länder für den Klimawandel heranzuziehen, die "hauptsächlich dafür verantwortlich" seien.

Am Donnerstag dämpfte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung die Hoffnungen auf einen klimapolitischen Deal in Heiligendamm. Hintergrund sind offensichtlich die festgefahrenen Verhandlungen mit den USA über die einschlägigen Formulierungen in Gipfelkommuniqué. Zuletzt war bekannt geworden, daß die Vertreter der Bush-Regierung sogar Verhandlungen im Kontext der Klimarahmenkonvention ablehnen. Die Regierungserklärung, die allgemein als die detaillierteste Äußerung der Kanzlerin zu den Erwartungen für Heiligendamm gesehen wurde, enthielt jedoch kaum etwas Neues. Mit dem Plädoyer für Innovations- und Investitionsschutz, Liberalisierung des Welthandels und Good Governance in Afrika bestätigte sie jedoch noch einmal die Nordlastigkeit der deutschen G8-Agenda. In puncto Entwicklungshilfe war allgemein von der Einhaltung bisheriger Verpflichtungen die Rede sowie von einer „beträchtlichen Ausweitung“ der Mittel für den Globalen Fonds gegen HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose.

Donnerstag, 24. Mai 2007

Gastkommentar: Globalisierungskritik über den Gipfel hinaus tragen

Von Michael Kömm

Die globalisierungskritische Bewegung hat im Vorfeld des G8-Gipfels trotz ihrer – oder gar aufgrund ihrer – Diversität gute Arbeit geleistet: Zivilgesellschaftliche Gruppen und Verbände haben zusammen mit NGOs und den Parteien der Linken und der Grünen viele Aktionen im Vorfeld des Gipfels durchgeführt und das Aktionsprogramm rund um den G8-Gipfel klingt überaus viel versprechend – sowohl in aktionistischer wie auch in inhaltlicher Hinsicht. Nichtsdestotrotz, für den Erfolg der Bewegung wird es von großer Bedeutung sein, inwiefern es die verschiedenen Akteure schaffen werden, die Proteste über den Gipfel in Heiligendamm hinaus zu tragen und auf andere gesellschaftspolitische Anlässe zu beziehen. Globalisierungskritik darf kein singuläres, semantisches Event rund um den Gipfel sein, sondern es bedarf der Ausweitung der Diskurse in den Alltag und der weiteren Ausarbeitung konkreter Alternativen.

Hierzu ist eine weitere enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren essentiell. Denn was für den Gipfel gilt, gilt auch für die Zeit danach: Zivilgesellschaftliche Verbände, NGOs und Parteien sind in ihrer Arbeit wechselseitig aufeinander angewiesen und müssen aber dennoch unabhängig von einander erkennbar bleiben, denn sie haben verschiedene Funktionen innerhalb der Bewegung.

So braucht es z.B. konkrete Alternativen in den Global-Governance-Strukturen, v.a. eine Reform der G8 oder besser noch ihre Substitution durch ein repräsentativeres Gremium. Verbände und NGOs müssen weiterhin Alternativen dazu formulieren. Gerade die überverbandlichen Bündnisse müssen auch über den Gipfel fortgeführt werden, um ihr öffentlichkeitswirksames Potential gegen die G8 bestmöglich auszuschöpfen (auch wenn im Detail verschiedene Ziele verfolgt werden). Die erfolgreiche Vorbereitung der Aktivitäten um den diesjährigen G8-Gipfel hat ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen den Akteuren entstehen lassen, das es auch nach dem Gipfel zu pflegen gilt.

Michael Kömm ist Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Nord/Süd von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im G8-Projektteam der Grünen Jugend, das er im Arbeitsausschuß für den Alternativgipfel vertritt.

Mittwoch, 23. Mai 2007

Warmsingen für den G8-Gipfel: Trio Finale und Soul Sister Summit in Berlin

Angela Merkel singt, Katja Riemann spielt Schlagzeug und Laura López Castro sitzt an der Gitarre. Mit einer ungewöhnlichen Performance wollen die Schauspielerin Katja Riemann und die Musikerin Laura López Castro die Bundeskanzlerin am 25. Mai auf den G8-Gipfel einstimmen. Sie wollen Frau Merkel zeigen, wie sie in Heiligendamm den Takt halten kann und den richtigen Ton trifft. Es geht los am Freitag um 16.15 Uhr vor dem Kesselhaus der Kulturbrauerei in Berlin und ist ein Vorspiel für den Sister Soul Summit am 30. Mai. Auf dem Konzert treten Musikerinnen aus Afrika, Europa, dem Nahem Osten und den USA auf. Es wird von Oxfam Deutschland veranstaltet. Auf der Bühne stehen dann neben Laura López Castro (Deutschland/Spanien) auch Weltstars wie Angélique Kidjo (Benin; s. Photo), Pink Martini (USA), Noa (Israel) und Diane (Deutschland).

Der Sister Soul Summit wird ein Konzert, das wachrüttelt. Die Musikerinnen wollen die Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten an ihre Versprechen erinnern. Dabei wenden sie sich an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Konzert findet im Rahmen der „White Band Nights“ der deutschlandweiten Aktion Deine Stimme gegen Armut statt. Während des Konzerts werden - wie auch bei den weiteren bundesweiten 20 „White Band Nights“ - Stimmen gegen Armut gesammelt, die noch vor dem G8-Gipfel an Bundeskanzlerin Merkel übergeben werden.

Tickets gibt es für 20 € (plus Vorverkaufsgebühr, etwa bei Trinity Concerts) und 24 € an der Abendkasse. Der Ertrag des Konzerts fließt in die entwicklungspolitische Arbeit von Oxfam Deutschland.

African Partnership Forum: Die Rauchzeichen der „weisen Frauen“

Auf dem African Partnership Forum in dieser Woche redete Kanzlerin Angela Merkel (>>> Rede) wie jene „weise Frau“, die der Pop-Star Bono gerne in ihr sehen möchte:

„Die Millenniumsziele liegen auf dem Tisch, die Entwicklungshilfequoten sind unterzeichnet. Unsere politische Generation hat die Aufgabe, die mit Sicherheit nicht einfacher ist als die Erstellung der Ziele, nämlich diese Ziele auch umzusetzen. Wir wissen, daß es dabei um Verläßlichkeit und Glaubwürdigkeit geht. Deshalb werden wir alles daran setzen, diese Ziele umzusetzen. Sie sind anspruchsvoll, aber wir wissen um den Schaden, der entsteht, wenn wir sie nicht umsetzen werden. Deshalb arbeiten wir daran.“

Seit Tagen versucht die Bundesregierung, die harsche Kritik zu kontern, die von entwicklungspolitischen NGOs im Vorfeld des Heilgendamm-Gipfels an der Nichteinlösung der Versprechen der G8 in Sachen Entwicklungshilfe geäußert wird (>>> Die G8-Länder sind weit vom Kurs abgekommen). Dazu gehört die verdeckte Ankündigung, z.B. im Handelsblatt vom 18.5.2007, die Bundesregierung werde den Gipfel nutzen, um zusätzliche Entwicklungsgelder Deutschlands von zwei bis drei Milliarden € jährlich anzukündigen, um so die Zusagen im Stufenplan der EU einhalten zu können. Der Sherpa der Kanzlerin, Bernd Pfaffenbach, soll in der verbleibenden Zeit bis zum Gipfel versuchen, auch die anderen G8-Regierungen zu neuen Entwicklungshilfezusagen zu gewinnen. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul legte gegenüber der Welt am Sonntag sogar ihre „Hand dafür ins Feuer, daß wir das, was wir in Gleneagles beschlossen haben, nämlich die Verdoppelung der Entwicklungshilfe für Afrika bis 2010, hinbekommen“.

In Wirklichkeit trommelt die Bundesregierung bislang jedoch vor allem für mehr Investitionen deutscher Privatkonzerne in Afrika. So wurde der zweite Tag des African Partnership Forums denn auch als Africa Business Day abgehalten. Dabei waren als Veranstalter neben dem BMZ und der Weltbank auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHKT) mit im Boot.

Sonntag, 20. Mai 2007

G8-Finanzminister: Ernüchternder Vorab-Gipfel bestärkt Vorahnungen

Das Treffen der G8-Finanzminister, das traditionell eine entscheidende Funktion in der Vorbereitung auf das eigentliche Gipfeltreffen einnimmt und das am 18./19. Mai im Ressort Schwielowsee bei Potsdam stattfand, hat die Vorahnungen bestärkt, daß in Heiligendamm keine Gipfelgeschichte geschrieben werden wird, jedenfalls nicht von den dort versammelten Staats- und Regierungschefs. Zu den „globalen Ungleichgewichten“, die die Bundesregierung ursprünglich zum Anlaß nehmen wollte, um die G8-Gipfel thematisch auf ihren weltwirtschaftlichen Ausgangspunkt zurückzuführen, fielen den Finanzministern in ihrem Pre-Summit Statement gerade mal vier Zeilen ein. Darin wird das „robuste“ globale Wachstum gelobt und vor hohen und volatilen Energiepreisen gewarnt. Außerdem wird eine „ordnungsgemäße Anpassung der globalen Ungleichgewichte“ angemahnt, was immer das heißen mag.

Um so ausführlicher und detaillierter ist dafür der auf dem Treffen verabschiedete Aktionsplan für gute finanzielle Governance in Afrika. Zwar hatten die G8 erstmals die Finanzminister Kameruns, Ghanas, Mosambiks, Nigerias und Südafrikas sowie den Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbank für eine Themensitzung auf Freitag abend eingeladen – doch wohl hauptsächlich, um ihnen die Meinung der G8 zu verkünden, und weniger, um zuzuhören. Jedenfalls nannte der ghanesische Finanzminister Kwadwo Baah-Wiredo den Aktionsplan zwar löblich, bemängelte jedoch zu Recht, daß die G8-Minister keinerlei konkrete Festlegungen zur Umsetzung der Gleneagles-Versprechen von vor zwei Jahren getroffen haben. In Wirklichkeit zielt der Plan im wesentlichen auf die Verbesserung der Konkurrenzposition des Westens gegenüber neuen Gebern aus dem Süden, wie Indien und Brasilien, aber hauptsächlich China (>>> Neue Geber: Schurkenhilfe oder gesunde Konkurrenz? und >>> Spieglein, Spieglein an der Wand ...). Im Mittelpunkt steht die „Sorge“, daß Afrika durch die Annahme von deren zumeist billigeren und weniger konditionierten Krediten in eine neue Schuldenkrise schlittern und damit die Ergebnisse der Entschuldungsaktionen der letzten Jahre wieder zunichte machen könnte. Da man jedoch die neuen Gläubiger nicht so leicht beeinflussen kann, wird erst einmal der Druck auf die afrikanischen Schuldner verschärft. Mit den neuen Gebern will man jetzt im Rahmen der G20 reden – immerhin ein angemesseneres Forum als der G8-Katzentisch.

Ausgesprochen dürftig war auch die Aussprache zum Thema „Hedgefonds“. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zeigte sich zwar zufrieden, wie weit die Debatte inzwischen gediehen ist. Das kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, daß der von ihm angestrebte freiwillige Verhaltenskodex für das Heuschreckengewerbe im Kommuniqué nicht einmal erwähnt wird. Das „Pre-Summit Statement“ erschöpft sich in dieser Frage darin, die Empfehlungen des aktualisierten Reports des Financial Stability Forum (FSF) über Highly Leveraged Institutions zu begrüßen, den die G8-Finanzminister auf ihrem Essener Treffen vor drei Monaten in Auftrag gegeben hatten. Das FSF hatte schon vor sieben Jahren empfohlen, die Hedgefonds besser zu kontrollieren. Sein Bericht war damals jedoch schnell wieder in der Versenkung verschwunden (zur neuen Hedgefonds-Debatte >>> W&E-Hintergrund Mai 2007).

Nichts Gutes ahnen läßt auch eine Formulierung zur Klimapolitik, auf die sich die Finanzminister einigten: Wichtig sei vor allem die Förderung der Energieeffizienz und der Energiediversifikation. Letzteres könne "fortgeschrittene Energietechnologien einschließen, wie erneuerbare, nukleare und saubere Kohle(-Technologien)".

Freitag, 18. Mai 2007

Appell an die G8-Finanzminister in Schwielowsee bei Potsdam


In einem Offenen Brief fordern Professoren, Intellektuelle und Nobelpreisträger die G8-Finanzminister auf, die Versprechen zur Erhöhung der Entwicklungshilfe einzuhalten und dazu innovative Finanzierungsinstrumente einzuführen. Unterzeichner sind unter anderem Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, die ehemalige UN-Hochkommisarin für Menschenrechte Mary Robinson, Literaturnobelpreisträger John M. Coetzee, Noam Chomsky und Hans Eichel, ehemaliger deutscher Finanzminister.

Wortlaut des Briefes >>> hier.

Donnerstag, 17. Mai 2007

Gastkommentar: Klimapolitische Benchmarks für Heiligendamm

Von Christoph Bals

Am vergangenen Sonntag wurde bekannt, daß die US-Delegation zwei zentrale Passagen aus dem Entwurf des zentralen G8-Dokumentes für den Gipfel in Heiligendamm Anfang Juni entfernen will. Zum einen will sie das zentrale Ziel nicht mit tragen, daß der Klimawandel unter der Großgefahrenschwelle von 2° Celsius globalem Temperaturanstieg gegenüber der vorindustriellen Zeit gehalten und die Emissionen weltweit bis 2050 um 50% gegenüber 1990 reduziert werden muß. Zum anderen will sie nicht mit unterzeichnen, daß der UN-Klimaprozeß der angemessene Ort ist, um die globalen Klimaschutzaktivitäten zu verhandeln. Es würde einer Kapitulation der Staatengemeinschaft vor dem Klimawandel gleichkommen, wenn das Problem ohne verbindliche Ziele, ohne legitimierten Prozeß und allein auf freiwillige Technologieabkommen zwischen Staaten gestützt angegangen würde.

Zentral für den weiteren G8-Prozeß ist nun, daß nicht versucht wird, auf Arbeitsebene den Konflikt durch nichtssagende Floskeln zuzukleistern. Die deutsche Kanzlerin und G8-Präsidentin Merkel muß auf dem G8-Gipfel den US-Präsidenten und andere potentielle Bremser vor die Alternative stellen: Entweder es kommt zu einem ernsthaften Schritt zu mehr Klimaschutz oder aber zu einem offenen Eklat. An drei Zielen werden sich, was die Klimapolitik angeht, Erfolg oder Scheitern des G8-Gipfels festmachen lassen:

* Wird das notwendige Signal zur Dringlichkeit des Problems von der G8 gemeinsam mit den fünf großen Schwellenländern gegeben: Zwei-Grad-Limit; Halbierung der globalen Emissionen bis 2050 gegenüber 1990?
* Wird das notwendige Signal für den UN-Klimagipfel in Bali (Dezember 2007)gegeben: ein Verhandlungsstart im Dezember, der bis 2009 zu einem weltweiten Klima-Abkommen für die Zeit nach 2012 führt?
* Einigt man sich auf ernsthafte Ziele sowie Handlungs- und Zeitpläne für den Bereich Energieeffizienz (20%-ige Steigerung bis 2020), die der Klima- und Energiesicherheit dienen?

Es wäre verfehlt, in Bezug auf diese Ziele nur gebannt auf die US-Regierung zu schauen. Auch Rußland, Kanada und Japan gilt es zu überzeugen. Daher könnte auch der aktuelle EU-Rußland-Gipfel den Weg für die Vereinbarung dieser zentralen Ziele in Heiligendamm ebnen.

Christoph Bals ist Politischer Geschäftsführer der Nord-Süd-Initiative Germanwatch.

Mittwoch, 16. Mai 2007

Gastkommentar: Ein Anflug von Scheinheiligkeit in der Klimapolitik

Von Wolfgang Sachs

Keiner der Präsidenten und Regierungsschefs in Heiligendamm – auch Bush und Putin nicht – wird es sich nehmen lassen, die Ressourcenkrise zur Überlebensfrage der Menschheit auszurufen. Doch in den Folgerungen werden sich die Geister scheiden: das Verbrauchsniveau senken oder ein neues Energieangebot erschließen? Viele werden ihre Hoffnung auf neue Funde in der Arktis, unter den Meeresböden oder in Ölschiefer setzen, oder Abscheide- und Lagertechnologien für C02 sowie Offshore-Windparks oder die industrielle Produktion von Biokraftstoff propagieren. Viel weniger entspricht es aber der Expansionslogik, statt auf einen Ausbau des Energieangebots auf eine Rückführung des Bedarfs zu setzen. Eine Leistungsbegrenzung im Automobilbau, ein Umstieg zu ökologischem Landbau oder auch nur – wie in Australien – ein Ausmustern konventioneller Glühbirnen, würde da schon einschneidendere Zeichen setzen.

Außerdem werden sich auf der erweiterten Angebotspalette für Energieerzeugung alte und neue Risikotechnologien finden. Kohle zum Beispiel hilft zwar in Sachen Energiesicherheit, erhöht aber das Klimarisiko. Und wie versucht wird, der Ressourcenklemme durch einen (Wieder-) Einstieg in Risikotechnologie zu entgehen, zeigt sich augenfällig an der Atomenergie. Beide Technologien übrigens, die CO2-Abscheidung für Kohlekraftwerke und die Fortdauer von Atomkraftwerken verstecken sich auch hinter dem hehren Ziel der Europäischen Union, 30% Rückbau der Emissionen bis 2020 zu erreichen. Nimmt man noch die Aussicht auf Plantagen gentechnisch manipulierter Energiepflanzen dazu, wird deutlich, daß hinter der Ausrufung des Energienotstands so manches Trojanisches Pferd erweiterter Naturbeherrschung Eingang in die Umweltpolitik finden kann.

Ferner lohnt es sich, auf geographische Verlagerungen bei Energiebedarf und Klimagasen zu achten. Denn in Europa werden energie-intensive Fertig- oder Halbfertigprodukte aus den Branchen Stahl, Aluminium, Zement, Chemie zunehmend aus dem Ausland importiert. Daher fällt ein Teil des Energiebedarfs der Industrieländer mitsamt den Emissionen mittlerweile in China und anderen Schwellenländern an. So werden Belastungen im globalen Umweltraum transnational hin- und hergeschoben. Zuviel Stolz in die eigenen Reduktionsleistungen haben da leicht einen Anflug von Scheinheiligkeit, ebenso wie Appelle an die Schwellenländer, die Kurve ihres Energiewachstums flacher zu halten.

Dr. Wolfgang Sachs ist Wissenschaftler am Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie. Von ihm erschien (zusammen mit T. Satorius u.a.) Fair Future. Begrenzte Ressourcen und globale Gerechtigkeit, München 2005 und ein Aufsatz in H.Melber/C. Willss (Hg.), G8 Macht Politik. Wer beherrscht die Welt?, Frankfurt/Main 2007; s. Amazon-Links:




Wuppertal-Institut, Fair Future - Begrenzte Ressourcen und Globale Gerechtigkeit, München 2005



Henning Melber/Cornelia Wilss (Hg.), G8 Macht Politik. Wie die Welt beherrscht wird, Frankfurt/Main 2007

Dienstag, 15. Mai 2007

Wie verbindlich sind die Gleneagles-Versprechen? G8-Sherpas zerstritten

Wie in britischen NGO-Kreisen bekannt wurde, gab es auf dem Sherpa-Treffen der G8 in der vorletzten Woche in Bonn erneut Streit über die Frage, wie verbindlich die Beschlüsse des Gipfels von vor zwei Jahren in Gleneagles eigentlich seien. Das Treffem war das vorletzte offizielle Meeting der Sherpas vor dem Gipfel, das letzte findet zwei Tage vor Heiligendamm statt. Auf dem Treffen versuchten einige G8-Länder, vor allem die Versprechen über die Steigerung der Entwicklungshilfe loszuwerden, indem argumentiert wurde, bei den Zahlen handele es sich nur um „Schätzungen“. Ein Sherpa sagte, die Verpflichtungen seien nur aus Mitleid für die britischen Gastgeber unterschrieben worden – nach den Bombenanschlägen in der Gipfelwoche in London.

Dem Vernehmen nach gibt es starke Versuche, die die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) betreffenden Texte für die Heiligendamm-Erklärungen zu verwässern. Die Engländer und die Franzosen waren bislang noch die stärksten Befürworter der vor zwei Jahren gegebenen ODA-Zusagen. Auch Deutschland soll die Verpflichtungen bislang Ernst nehmen, zumal Finanzminister Steinbrück signalisiert hat, daß die Anhebung der Entwicklungshilfe einer von zwei vorrangigen Bereichen ist, in denen Ausgabensteigerungen akzeptabel sind. Nach wie vor wird damit gerechnet, daß die den Gipfel zu irgendeiner entwicklungspolitischen Ankündigung in eigener Sache nutzen wird. Die Waage im Kreise der G8 könnte sich jedoch in die andere Richtung senken, wenn in dieser Woche Nicolas Sarkozy den französischen Präsidenten Jaques Chirac im Amt ablöst und mit dem Präsidentenwechsel auch der französische Sherpa ausgewechselt wird.

Immerhin sollen sich die Sherpas in der vorletzten Woche jedoch auf den britischen Vorschlag geeinigt haben, daß künftig die Finanzminister kurz vor dem Gipfel über die neuesten ODA-Zahlen berichten. In einem Entwurf für die Afrika-Deklaration der G8, der der G8-Blog-Redaktion vorliegt, war dafür, allerdings in eckigen Klammern, noch der Entwicklungshilfeausschuß (DAC) der OECD vorgesehen.

DATA-Bericht 2007: Die G8-Länder sind weit vom Kurs abgekommen / Notfallsitzung gefordert

Bono, Bob Geldof, Herbert Grönemeyer, die ehemalige nigerianische Finanzministerin, Ngozi Okonjo-Iweala, und DATA (Debt, AIDS, Trade, Africa) fordern für Heiligendamm eine „Notfallsitzung zu den Versprechen für Afrika und zur Glaubwürdigkeit der G8". In einem heute veröffentlichten Bericht, The DATA Report 2007, wird gezeigt, daß Entwicklungshilfe für arme Länder funktioniert, die meisten G8-Staaten mit ihren historischen Versprechen von 2005 jedoch weit vom Kurs abgekommen sind. Laut DATA haben die G8-Länder die Entwicklungshilfe zwischen 2004 und 2006 um weniger als die Hälfte der Summe gesteigert, die nötig gewesen wäre, um die Ziele 2010 zu erreichen. Schätzungen über die Höhe der Entwicklungshilfe 2007 zeigen, daß die G8-Länder nur ein Drittel von dem bereitzustellen planen, was nötig wäre, um die Versprechen zu halten.

Bono, U2-Sänger und Mitbegründer von DATA, sagte: „Die G8-Länder schlafwandeln in eine Glaubwürdigkeitskrise. Ich weiß, daß der DATA-Bericht uns alle wie eine kalte Dusche aufwecken wird. Die Fakten mögen kalt sein, aber es wird heiß hergehen. Die Statistiken im Bericht sind mehr als bloße Zahlen: es sind Menschen, die um Ihr Leben betteln, um 2 Pillen pro Tag, um Impfungen für Töchter und Söhne, um eine Zukunft. Es ist sicher nicht unsere Aufgabe, Regierungen zu sagen wie sie ihren Job machen sollen. Es ist aber unsere Aufgage Alarm zu schlagen, wenn es aussieht, als ob sie ihre Versprechen gegenüber den Ärmsten und verwundbarsten Menschen dieser Erde brechen werden. Ein Versprechen uns, der NGO-Szene gegenüber nicht zu halten, ist eine Sache. Aber hier geht es um eine Mutter und das Leben ihres Kindes.“

Während Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczoreck-Zeul die DATA-Schätzungen zurückwies, weil sie den Geldwert der Schuldenstreichungen nicht berücksichtigen, ist dies nun der dritte Bericht seit kurzem, in dem den G8-Ländern die Nichteinhaltung der Versprechungen von Gleaneagles vorgeworfen wird. Ein Positionspapier der Deutschen Welthungerhilfe vermißt einen konkreten Umsetzungsplan für die Zusagen, ein Bericht des europäischen NGO-Dachverbands CONCORD weist darauf hin, daß wichtige Geber, wie Deutschland, Frankreich und Italien, ihre internationale Zusage, mindestens 0,33% Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, nur durch einmalige Schuldenerlasse sowie die Einbeziehung von Ausgaben für ausländische Studierende und Asylbewerber erreichen, und nach einer neuen Oxfam-Studie „The World Is Still Waiting“ werden die bis 2010 gesteckten Ziele um 40% verfehlt, wenn die derzeitigen Ausgaben nicht signifikant gesteigert und nur einfach fortgeschrieben werden. Die Oxfam-Studie erscheint demnächst auch als W&E-Hintergrund.

Montag, 14. Mai 2007

Gastkommentar: G8-Versprechen - Wort halten könnte uns überraschen

Von Eveline Herfkens

Was können wir von dem G8-Treffen in Heiligendamm erwarten? Aus der Sicht all derer, die für die Erreichung der Millennium-Entwicklungsziele bis 2015 arbeiten, würde ich sagen: Nicht viel. In Gleneagles versprachen die G8 einen substantiellen Anstieg der Entwicklungshilfe und eine Verdoppelung für Subsahara-Afrika bis 2010. Doch zwei Jahre später ist die Hilfe bereits wieder dabei zu fallen, wobei in den letzten beiden Jahren ein massiver Anteil auf Schuldenerleichterungen entfiel. Das Bild für Afrika ist genauso trübe: Ohne Schuldenerleichterungen würde die Hilfe für die Region stagnieren. Statt eines offenen Blicks auf die Fakten und statt entschlossen ihre Hilfe-Versprechen einzulösen, schickt sich die G8 in Heiligendamm an, ein paar sektorale Initiativen (wie zu HIV/AIDS oder einen Mikrokredit-Fonds; d.Red.) anzukündigen. Aber das wird wahrscheinlich nicht mehr als ein schädliches Ablenkungsmanöver werden. Ein Ablenkungsmanöver deshalb, weil es kleine und keine zusätzlichen Initiativen sein werden. Und schädlich deshalb, weil sektorale Initiativen oft die Anstrengungen zur Verbesserung der Wirksamkeit und der Effektivität der Hilfe untergraben.

Wir müssen Konzept und Praxis unserer gesamten Hilfe radikal entlang der Pariser Erklärung über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe verändern, wie das in Gleneagles versprochen wurde. Dazu gehört aber, die Prinzipien der Effektivität der Hilfe auch dann anzuwenden, wenn neue Initiativen in der Absicht entwickelt werden, um in die Schlagzeilen zu kommen. Wir haben starke Belege dafür, daß es eine inhärente Spannung zwischen wirklicher Prioritätensetzung in Entwicklungsländern vor Ort und jener Art von Single-Issue-Fonds und –Programmen gibt, die die G8-Führer wahrscheinlich ankündigen. Mehr noch: Solche kleinen, sektoralen Initiativen verschärfen nur noch die ohnehin zunehmende Ausuferung von Hilfsprogrammen, erhöhen die Anzahl der Geber und der Verfahren, und das, wo wir doch wissen, welch verheerende Folgen dies für die Kapazität der Entwicklungsländer hat, ihren eigenen Entwicklungsprozeß zu managen.

Schließlich, und vielleicht ist das am wichtigsten, müssen die G8-Länder die Führung bei der Wiederbelebung der Doha-Verhandlungsrunde und der Sicherung eines entwicklungsfreundlichen Ergebnisses übernehmen. Nur die G8-Länder, einschließlich der G8-Länder aus der Europäischen Union, können in dieser Frage Fortschritte durchsetzen. Und in Gleneagles haben sie versprochen, das zu tun.

Die Abrechnung der Gleaneagles-Verpflichtungen ist somit eine ziemlich niederschmetternde Lektüre. Sie mögen sich fragen, wie das sein kann, wo die Verpflichtungen doch mit so lauten Fanfarenstößen angekündigt wurden. Nun, zunächst einmal gab es bei den G8-Ländern keine Bereitschaft, den eigenen Fortschritt einem Monitoring zu unterziehen. Zwei Jahre nach dem Gleneagles-Gipfel wäre Heiligendamm dafür eine ideale Gelegenheit gewesen. Doch ist die Stimmung einfach nicht nach einer solchen Bilanz. Vielleicht weil die führenden Politiker wissen, daß sie keine Resultate liefern.

Doch noch ist es nicht zu spät. Die G8-Politiker haben immer noch die Chance, Führungsstärke zu zeigen im Kampf gegen die Armut der Welt, in Bezug auf die Entwicklungsbedürfnisse Afrikas und die Verwirklichung der Millenniumsziele. Nur – wir brauchen keine neuen Initiativen. Alles was wir brauchen ist, daß die Politiker das einlösen, was sie bereits versprochen haben ... in Gleneagles 2005. Versprochen ist versprochen, und ein Versprechen gegenüber den Armen der Welt sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden: Schließlich hängt ihre Zukunft daran.

Eveline Herfkens ist Exekutivkoordinatorin der UN-Millenniumskampagne. Davor war sie u.a. niederländische Entwicklungsministerin. Die ausführliche Fassung dieses Kommentars erschien unter www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org.

Sonntag, 13. Mai 2007

G8-Finanzministertreffen in Schwielowsee: Rechnung ohne den Wirt

Wenn die G8-Finanzminister Ende der kommenden Woche, am 18./19. Mai, im Resort Schwielowsee bei Potsdam zusammenkommen, soll die Diskussion über die Hedgefonds vertieft werden, aber der US-amerikanische Finanzminister, Hank Paulson, wird nicht dabei sein. Dies zeigt zweierlei: Erstens hat die Bundesregierung in Sachen Hedgefonds die Rechnung offensichtlich ohne den Wirt gemacht, zumindest ohne den wichtigsten, die USA. Und zweitens: Es wird höchste Zeit für die Europäer, ihre Vorstellungen über die Reform der globalen Gipfelarchitektur zu konkretisieren, wenn sie die US-Amerikaner künftig noch in globale Entscheidungen einbinden wollen. Zu beiden Aspekten bieten die beiden neuen W&E-Hintergrund-Ausgaben vertiefende Analysen an.

Die Diskussion im Kreis der G8-Finanzminister ist Teil einer neuen Hedgefonds-Debatte, die Jörg Huffschmid analysiert (>>> W&E-Hintergrund Mai 2007; s. Abbildung). Huffschmid registriert zunehmende Bemerkungen über die Risiken, die von den Hedgefonds ausgehen können, befürchtet aber, daß die Debatte genau so ausgehen wird, wie die erste Ende der 1990er Jahre, nämlich ohne irgendwelche greifbaren Ergebnisse. Dabei war der Handlungsbedarf eigentlich nie so groß wie heute. Das von den Hedgefonds weltweit verwaltete Vermögen ist gegenüber 1998 auf das Sechsfache gestiegen und liegt heute bei 1,5 Billionen US-Dollar. Es kommt zu zwei Dritteln aus den USA und zu einem guten Viertel aus Europa. Ohne die Beteiligung der US-Regierung wäre also jede Debatte über das Thema zur Konsequenzlosigkeit verurteilt, einmal abgesehen davon, daß sich in die zunehmenden Warnrufe von Teilen des Finanzestablishments paradoxerweise beruhigende Äußerungen über die positiven Rolle der „Heuschrecken“ beim Management von Risiken und für die finanzielle Stabilität mischen.

Während der US-Finanzminister seinen Stellvertreter Bob Kimmit nach Schwielowsee schickt, bereitet er selbst lieber den Empfang einer hochrangigen chinesischen Delegation vor, die im Rahmen des „Strategischen Dialogs“ zwischen den beiden Ländern nach Washington kommt. Die Financial Times interpretiert dies treffend als Indiz für die abnehmende Bedeutung der G7-Finanzministertreffen beim Management währungs- und finanzpolitischer Turbulenzen. Die Analyse der anhaltenden Diskussion um die Reform der Gipfelarchitektur „Jenseits der G8“, die Thomas Fues vornimmt (>>> W&E-Hintergrund Mai-Juni 2007; s. Abbildung) verweist u.a. darauf, wie sträflich die deutsche G8-Agenda dieses zentrale Zukunftsthema bislang vernachlässigt hat. Selbst Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erscheint da mit seiner Äußerung vom letzten Dezember, die G8 werde mittelfristig überflüssig und müsse („nicht im kommenden Jahr, aber in zwei oder drei Jahren“) durch ein repräsentativeres Gremium ersetzt werden, als einsamer Rufer in der Wüste.

Freitag, 11. Mai 2007

Gastkommentar: Das Heiligendamm-Prinzip: Positive Rhetorik mit negativer Substanz

Von Frithjof Schmidt, MdEP

Die Sprache der G8 hat sich unter dem wachsenden Druck weltweiter Kritik verändert. Aber Auswirkungen auf die konkrete Politik sind kaum erkennbar. „Hilfe für Afrika, Transparenz der internationalen Kapitalmärkte, Soziale Globalisierung, Klimaschutz und der Kampf gegen HIV/AIDS“ – die Überschriften des deutschen G8-Präsidentschaftsprogramms versprechen Vieles und Richtiges. Aber in der praktischen Politik passiert dann wenig, manchmal sogar das Gegenteil von dem, was als Notwendigkeit postuliert wird. Es beginnt damit, daß die zentrale Frage der Legitimität dieser kleinen Staatengruppe als Entscheidungsgremium und ihr Verhältnis zur UNO auch auf der Tagesordnung für die Konferenz in Heiligendamm nicht auftaucht. Die illegitime Anmaßung, als kleine nicht repräsentative Gruppe wie eine Weltregierung zu agieren, bleibt das Grundprinzip der Konferenz. Außerdem wächst der Widerspruch zwischen Anspruch und Handeln.

Die Ministerkonferenzen zur Vorbereitung des Gipfels zeigen hier ein klares Muster. Zum Beispiel das Finanzministertreffen im Februar in Essen: Der Kampf für die Kontrolle internationaler Kapital-Spekulationsfonds (auch Hedge-Fonds oder „Heuschrecken“ genannt) war das zentrale Thema. Es gab kein Ergebnis. Gleichzeitig wurden konkrete Maßnahmen zur Öffnung der Kapitalmärkte der Entwicklungsländer besprochen. Also: Mehr Bewegungsfreiheit für die Spekulanten und ihre Fonds. Es wird über Kontrolle geredet und dann praktisch das Gegenteil beschlossen.

Zum Beispiel die Umweltministerkonferenz im März in Potsdam: Nicht einmal theoretisch konnte der Anspruch, den CO2-Ausstoß der G8 bis 2020 um mindestens 30% zu verringern, verankert werden. Von Verbindlichkeit durch Überwachung und Sanktionen ganz zu schweigen. Der Club der größten Klimasünder beschwört den Klimaschutz und weigert sich zugleich, konkrete Verantwortung zu übernehmen.

Und diese Liste setzt sich fort: Bei den internationalen Umwelt- und Sozialstandards, beim Schutz der biologischen Vielfalt und der Arten, bei der Verstärkung der Entwicklungshilfe, insbesondere für Afrika, bei der Reduzierung der Waffenexporte und der Abrüstung usw.. Dramatische Bekenntnisse, leere Versprechungen, kleine Taten. Alles spricht dafür, daß dies auch die Bilanz nach Heiligendamm bleibt.

Dr. Frithjof Schmidt ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Mitherausgeber von W&E.

Mittwoch, 9. Mai 2007

G8-Arbeitsminister: Soziale Dimension als Werbeveranstaltung für Globalisierung

Es müsse immer wieder an die Vernunft appelliert und für die internationalen Kernarbeitsnormen geworben werden, sagte Franz Müntefering zum Abschluß des G8-Arbeitsministertreffen gestern in Dresden. Der „Heuschrecken-Theoretiker“ müßte eigentlich wissen, daß sozialer Fortschritt wenig mit gesundem Menschenverstand und Werbung, aber um so mehr mit Macht und Gegenmacht zu tun hat. Doch bei dem Treffen vom 6.-8. Mai wurde die „soziale Dimension der Globalisierung“ im wesentlichen als Showcase gehandhabt: Harte Beschlüsse wurden vermieden zugunsten effektvoller Deklamationen.

So haben die Minister die jüngste OECD-Beschäftigungsstrategie bestätigt, der zufolge jedes Land „eine ausgewogene Kombination von Flexibilität und Sicherheit“ anstreben müsse, wie es in den Schlußfolgerungen des Vorsitzes der G8-Arbeitsminister heißt. Immerhin impliziert diese Formulierung, daß die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes die soziale Sicherheit relativiert. Starken Nachholbedarf bei der Durchsetzung des Sozialschutzes sahen die Arbeitsminister vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, wobei sie auf die Decent-Work-Agenda und die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verwiesen. Kurioserweise ermutigten sie die ILO, „mit der Weltbank, der Welthandelsorganisation (WTO) und anderen internationalen Organisationen bei der Behandlung dieser Themen zusammenzuarbeiten“.

Umgekehrt würde diese Aufforderung mehr Sinn machen, ist doch die WTO bis heute nicht bereit, ihren Sanktionsmechanismus auch für die Durchsetzung der Einhaltung elementarer Sozialstandards zur Verfügung zu stellen. Immerhin laden die Schlußfolgerungen „die WTO-Mitglieder und interessierte internationale Organisationen ein, in enger Zusammenarbeit mit der ILO die Einhaltung und Umsetzung von international anerkannten Kernarbeitsnormen zu fördern.“ Und: „Wir setzen uns auch dafür ein, daß menschenwürdige Arbeit, insbesondere die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen, in bilateralen Handelsabkommen umfassend berücksichtigt wird.“ Man wird also schon bald, wenn wieder ein solches Abkommen unterzeichnet wird, beobachten können, wie ernst dies gemeint ist.

Das Thema „gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen“ (CSR: Corporate Social Resposibility) erwies sich auch in Dresden als erstrangige Spielwiese, auf der dafür gesorgt werden soll, daß die mangelnde Verbindlichkeit etwa der OECD-Leitsätze für multinationale Konzerne kaschiert wird. CSR ist das, was Unternehmen „zusätzlich“ und „freiwillig“ zu ihren gesetzlichen Verpflichtungen an sozialer Verantwortung übernehmen können. Daß Gewerkschaften mehr verpflichtende Regelungen anstreben, ist klar, stößt aber derzeit selbst beim sozialdemokratischen Vizekanzler auf wenig Gegenliebe. So blieb denn wichtiger als das ministerielle Ereignis in Dresden, daß zur selben Zeit Germanwatch Beschwerde gegen den VW-Konzern einreichte und das Siegburger Südwind-Institut enthüllte, welche erbärmlichen Arbeitsbedingungen in den Zulieferketten von Aldi herrschen.

Gastkommentar: Deutsche Afrika-Agenda schürt falsche Hoffnungen

Von Michael Windfuhr

Ein erster Entwurf der potentiellen Abschlußerklärung des G8-Gipfels von Heiligendamm liegt vor. Die Schlüsselworte für die strategischen Empfehlungen, die Afrika darin gegeben werden, lauten: Wachstum, offene Märkte, Investitionen, Schutz geistiger Eigentumsrechte und gleiche Bedingungen („equal conditions“). Darin steckt dieselbe Logik, mit der die EU und die USA versucht haben, die Doha-Runde der WTO zu gestalten. Doch die G8-Agenda geht sogar über das Verhandlungspaket von Doha hinaus und greift Themen auf, die dort schon gescheitert waren, z.B. den Schutz von Investitionen. Während in der G8-Agenda „equal conditions“ gefordert werden, wurde den Entwicklungsländer in der WTO immerhin noch „special and differential treatment“ zugesichert, d.h. in der Regel zeitlich und mengenmäßig reduzierte Liberalisierungsverpflichtungen.

Die andere Seite der besonders weitreichenden Liberalisierungsagenda bildet ein Thema, das Merkel vor allem im Hinblick auf die schnell wachsenden Konkurrenten in Asien vorantreiben will, der Schutz geistiger Eigentumsrechte. Gerade die Einführung und Absicherung geistiger Eigentumsschutzrechte ist für ärmere Entwicklungsländer jedoch ausgesprochen teuer und bindet oft auf Jahre die administrative Substanz vieler Ministerien.

Die Hoffnung, daß mit dieser Agenda Fortschritte bei der Reduktion von Armut und Hunger erreicht werden könnten, ist unberechtigt. Marginalisierte Kleinbauern und Landarbeiterfamilien wünschen sich vor allem einen Schutz ihrer lokalen und regionalen Märkte. Wachstum ist in vielen afrikanischen Ländern dringend notwendig. Dieses wird aber nur dann nachhaltig sein, wenn es auf der Entwicklung ländlicher Räume aufbaut. Die Investitionen, die die G8-Agenda fördern möchte, gehen derzeit vor allem in die extraktive Gewinnung von Rohstoffen. Hierbei geht es selten um die langfristig ökonomische und ökologisch nachhaltige Erschließung von Wirtschaftspotentialen, sondern um schnellen Ressourcenabbau mit gravierenden sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Konsequenzen.

Die G8 wissen um diese Probleme, deshalb schlägt der Entwurf für das Abschlußdokument auch einige Leitplanken vor, z.B. die Stärkung freiwilliger Unternehmensverantwortung und die Schaffung von Transparenz im Rahmen der „Extrative Industries Transparency Initiative“ (EITI). Die Kombination aus weitreichender Liberalisierung mit Transparenzauflagen und freiwilliger Unternehmensverantwortung ist jedoch kein neues und kein überzeugendes Angebot. Notwendig wäre die Initiierung und Förderung produktiver Investitionen in die nachhaltige ländliche Entwicklung – ein ungleich anspruchsvolleres Programm.

Michael Windfuhr leitet das Menschenrechtsteam von Brot für die Welt.

Dienstag, 8. Mai 2007

Schraube locker? Klimakiller im Visier

„Schraube locker? Vollgas in die Klimakatastrophe“ – unter diesem Motto haben am Wochenende bundesweit Umweltaktivisten Aufkleber auf schwere Limousinen, Jeeps und Sportwagen geklebt. Sie kritisieren deren hohen Spritverbrauch und wollen die Autofahrer zum Verzicht auf klimaschädliche Autos und zum Umstieg auf sparsamere Fortbewegungsmittel bewegen. Allein in Berlin wurden mehr als 2500 Fahrzeuge mit den Hinweisen der Künstler- und Aktivisteninitiative „schraube-locker.tk“ versehen. „Wir kritisieren das unverantwortliche Handeln von Fahrern dicker Autos. Ziel ist, die konkreten Verursacher des Klimawandels zu benennen. Die Aktion wird in den nächsten Wochen fortgesetzt und auf weitere Aktionsformen ausgedehnt“, schreiben die Aktivisten in ihrer Begründung. Den größten Verursachern des Klimawandels, darunter der Energiewirtschaft, der Automobilindustrie und der Flugbranche, werfen sie vor, noch zu wenig für den Klimaschutz zu leisten, und nach wie vor umweltschädliche Techniken zu produzieren und massiv zu vermarkten. Auch die Konsumenten müßten bedenken, daß sie umweltschädliche Produkte kaufen und somit erheblich zum Klimawandel beitragen.

Die Iniative „schraube-locker.tk“, in der Künstler, Umweltaktivisten, Feministinnen, Gewerkschaften, StudentInnen, Clowns und viele andere neue Aktionsformen ausprobieren, haben die Aufkleber über ihre Webseite und über Mailinglisten in ganz Deutschland verteilt. Sie nutzen dafür auch Community-Plattformen wie Youtube & Co. Die Aktivisten versprechen: „Die Aufkleberaktion ist nur der Auftakt für viele weitere Aktionen im Rahmen des G8-Gipfels. Wenn wir gemeinsam das Klima retten wollen, müssen wir alle aktiv werden.“ Daß das ganz einfach geht, zeigen die Aktivisten auf ihrer Website (schraube-locker.tk). – Ähnliche Kampagnen gegen die Spritfresser wurden auch von der Deutschen Umwelthilfe (Ich bin ein Klimakiller) und Grüner Jugend und BUND-Jugend (autowechsel-jetzt.de) gestartet.

Sonntag, 6. Mai 2007

McPlanet.com: Verantwortung, Engagement, Solidarität

Jennifer Morgan von der neu gegründeten Organisation E3G („Third Generation Environmentalism“) wollte die Kritik vieler Teilnehmer an der deutschen G8-Agenda nicht verstehen. "Wir können nicht warten, bis wir die ideale Weltordnung geschaffen haben – wir haben nur noch 15 Jahre,“ sagte sie auf dem Late-Night-Talk am Samstag abend im Audimax der Berliner TU. Die Regierung Bush sei der Blockierer, von der sich Merkel positiv abhebe. Auch Klaus Töpfer, der ehemalige deutsche Umweltminister und der frühere Leiter des UN-Umweltprogramms (UNEP) wollte kein Wort der Kritik an der Bundesregierung über die Lippen bringen. Dafür war er sich aber der ökologischen Schuld durchaus bewußt, die der Norden gegenüber dem Süden abtragen muß. „Wenn wir heute etwas für Afrika tun,“ so Töpfer, „hat dies nichts mit Charity zu tun, sondern damit, daß wir endlich anfangen dafür zu zahlen, was Afrika für uns tut.“ Umweltpolitik sei Verteilungspolitik. Und in einer Welt, in der die Vorteile wirtschaftlicher Aktivität (im Norden) regionalisiert und ihre Nachteile globalisiert werden, müsse man endlich dazu kommen, den Aufruf von Johannesburg (2002) umzusetzen und die Konsummuster zu verändern.

Das Abschlußplenum des dritten McPlanet-Kongresses am Sonntag stand unter dem Motto „Ein Klima des Aufbruchs – Reclaim the Climate!“. Und die rund 2000 TeilnehmerInnen verspürten tatsächlich so etwas wie Aufbuchstimmung zu einer neuen Bewegung der globalen sozialen und ökologischen Gerechtigkeit, als Marcelo Furtado von Greenpeace Brasilien davon sprach, daß die Schaffung eines postfossilistischen Zeitalters nicht ohne Gerechtigkeit denkbar sei („No decarbonisation without equity“). „Wir haben die reale Chance, Teil einer Bewegung zu sein, die die Zukunft gestalten kann“, so Furtado. Was wir dazu brauchen? Verantwortung, Engagement und Solidarität. „Ihr müßt Merkel dazu bringen, auf dem kommenden G8-Gipfel eine wirksame Klimapolitik durchzusetzen, wir die Regierung Lula, da mitzuziehen – das ist internationale Solidarität.“ In der Abschlußerklärung des Kongresses formulierten die Teilnehmer: „Wir haben es satt, daß die Bundesregierung sich in Deutschland, der Europäischen Union und bei den G8-Verhandlungen mit schönen Formulierungen in Szene setzt, ihre tatsächliche Politik dem Klimaschutz aber vielfach zuwider läuft.“ Z.B. mit einem neuen, gigantischen Programm zum Bau von Kohlekraftwerken, das vielleicht noch in diesem Jahr zum Katalysator neuen Widerstands wird.

Echte Chancen für mehr Bewegung sieht auch Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung. Diese Chancen müssen freilich erst noch ergriffen werden. „Die McPlanet-Kongresse“, so Unmüßig, „sind zu erstrangigen Räumen der Politisierung geworden, zumal für junge Menschen.“ Doch dürfe über Defizite nicht einfach hinweg gegangen werden. Das größte besteht vielleicht darin, daß auf McPlanet bislang nirgends Modelle für den erforderlichen finanziellen Ausgleich zwischen Nord und Süd sichtbar geworden seien. Ohne die bleibe die postulierte Klimagerechtigkeit im Weltmaßstab eine leere Worthülse.

Samstag, 5. Mai 2007

McPlanet.com: Klima der Gerechtigkeit im Kapitalismus?

Wer den wohl eingeladen hatte? Jan Burdinski, der schon die FDP bei Online-Kampagnen beraten hat und jetzt ein „Institut für politische Analysen und Strategie“ unterhält, forderte ausgerechnet die TeilnehmerInnen des McPlanet-Kongresses „Klima der Gerechtigkeit“, der gestern in Berlin begann, dazu auf, „die Klimahysterie zu stoppen“. Wo Wachstum hoch sei, gehe die Armut schon zurück, und mit der angeblich klimaneutralen Nuklearenergie werde es schon möglich sein, den Klimawandel unter Kontrolle zu bringen, so einige seiner Thesen, die das überwiegend jugendliche Publikum zwar zum Widerspruch provozierten, aber dennoch in erstaunlicher Toleranz über sich ergehen ließ.

Wenn auf dem Treffen der rund 1500 TeilnehmerInnen etwas deutlich wurde, dann daß wir unmittelbar „vor einer Renaissance der Wachstumsdebatte“ (Reinhard Loske) stehen. Die Ökonomen mögen – zumal in Deutschland – über das wieder erwachte Wirtschaftswachstum jubeln – von zwei Seiten her gerät das Business as Usual unter Druck: Klimawandel und wachsende soziale Ungerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille, und beide können nur zurückgedrängt werden durch das Empowerment der Menschen gegenüber der Unbill der Märkte, wie der Mitbegründer des World Social Forum aus Brasilien, Candido Grzybowski, in Berlin klar machte. Grzybowski ist kein Fundamentalist, aber er will nicht einsehen, warum die Regierung Lula nicht in der Lage ist, ihr durchaus lobenswertes Programm gegen den Hunger stärker mit eine Relokalisierung im Bereich der Nahrungsmittelproduktion zu verknüpfen. Statt dessen ist Brasilien derzeit der globale Vorreiter bei der Produktion „grüner“ Brennstoffe, die in Wirklichkeit als „agro-business fuels“ zu charakterisieren seien.

Ein Streitgespräch zu dem interessanten Thema „Ökologischer Kapitalismus oder kapitalistische Ökologie?“ entspann sich zwischen Ralf Fücks (Heinrich-Böll-Stiftung) und Chris Methmann (Attac). Die elegante Vorgabe von Fücks, daß auf die soziale nunmehr die ökologische Zivilisierung des Kapitalismus folge und das weiche Reputationsrisiko im Verein mit den harten ökonomischen Risiken eine neue Dynamik des Kapitalismus im Sinne einer dritten industriellen Revolution, eine postfossilistische Ökonomie, auslöse, konterte Methmann u.a. damit, daß dies die Zurückdrängung der sozialen Fortschritte im Zeichen der neoliberalen Offensive nicht in Rechnung stelle. Am Ende waren beide nicht so weit auseinander, wie die etwas reißerische Anlage des Disputs hätte vermuten lassen. Allenfalls graduelle Unterschiede, wie weit die soziale und ökologische Regulierung und Rahmensetzung zu gehen hätten, blieben. Vielleicht sollten Attac dabei künftig etwas mehr Energie in die Ausarbeitung konsequenter Reformvorschläge investieren und die Grünen sich wieder etwas mehr auf ihre Ausgangspunkte besinnen. – Eine Frage freilich blieb ungeklärt, wo denn der Punkt liegt, an dem die Konstellation von Druck, Aushandlung und Marktanreizen wirklich zur Auslösung einer neuen, sich selbst tragenden Marktdynamik in Richtung sozial-ökologischer Kapitalismus führt, in der die retardierenden Momente keinen Chance mehr haben.

Freitag, 4. Mai 2007

Gastkommentar: G8 – Anachronistentruppe und Verweigererkartell in der Global Governance

Von Birgit Mahnkopf

An demokratischer Repräsentativität hat es der G7/G8 immer schon gemangelt. Doch in einer zunehmend multipolaren Welt(un)ordnung wird ihre Zusammensetzung zum Anachronismus; dieser verhindert letztlich, daß die beabsichtigte informelle Politikabstimmung, insbesondere im Hinblick auf das Management der globalen Finanz- und Währungsprobleme, gelingen kann. Weniger denn je bildet der exklusive Club der G8 zwischenstaatliche Machtverhältnisse unter den Bedingungen globaler Märkte auch nur halbwegs adäquat ab: Während das in seiner ökonomischen Bedeutung eher zweitrangige Italien im Konzert der „führenden Industrienationen“ mitspielen darf, sind die neuen asiatischen „Giganten“ ausgeschlossen, ebenso wie jene neue Generation von lateinamerikanischen Politikern, die nicht nur das Verhältnis des Subkontinents zu den USA verändern, sondern auch neue Wege gegenüber den Bretton-Woods-Institutionen und gegenüber ausländischen Investoren einschlagen.

Welche Rolle im Gefüge von Global Governance kann die G8 unter diesen Bedingungen spielen? Von einem globalen Regelungssystem, das Zielen einer „anderen Globalisierung“ zum Durchbruch verhelfen könnte, sind wir heute weiter entfernt als in der hoffnungsvollen Dekade nach dem Ende des kalten Krieges. Die Einbindung der Bretton-Woods-Institutionen in eine demokratisiertes und finanziell gestärktes UN-System steht nicht mehr auf der Tagesordnung. Eine „Welthandelsorganisation neuen Typs“, die für eine Regulierung internationaler Wirtschaftsbeziehungen zuständig wäre und deren Regeln auf die Befriedigung von Grundbedürfnissen der Weltbevölkerung ausgerichtet wären, ebenso wenig. Zwar werden heute zivilgesellschaftliche Akteure in verschiedene Governance-Strukturen einbezogen, doch hat dies vor allem legitimatorische Funktionen und berührt die Strukturen der Weltwirtschaft bestenfalls in peripheren Bereichen. Die UNO als diejenige internationale Organisation, die sich auf universelle Repräsentativität berufen kann und über umfangreiche Regelungskompetenzen verfügt, bleibt ein Spielball der Außenpolitik insbesondere der westlichen Staaten.

Wenn es indes darum geht, sich einer weitgehenden demokratischen Reform der UNO entgegen zu stellen, ihre politische Aufwertung zu verhindern und die UNO für den Zweck globaler Politikausstattung mit ausreichenden finanziellen Mitteln zu versorgen, ist und bleibt die G8 als ein Verweigererkartell bedeutsam. Auch wenn dieses Kartell heute nicht mehr den Anspruch erheben kann, so etwas wie eine „heimliche Weltregierung“ zu sein, gelingt es dem „informellen Club der Oligarchen“ (E. Altvater) doch noch immer recht gut, die Interessen der „angestammten Spieler“ (A. Merkel) gegenüber den Newcomern im großen Spiel um Märkte und natürliche Ressourcen zu verteidigen.

Prof. Birgit Mahnkopf lehrt an der Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin, und ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac.

Donnerstag, 3. Mai 2007

Am Wochenende: „Klima der Gerechtigkeit“ bei McPlanet - Barometer der Mobilisierung

Mehr als 1000 Aktive aus globalisierungskritischer und Umweltbewegung, Politik und Kirche werden am kommenden Wochenende in der TU Berlin erwartet, wenn zum dritten Mal der Kongreß McPlanet.com tagt. Während die Politiker der Industriestaaten plötzlich darum wetteifern, sich als Klimaschützer zu präsentieren, leiden die Armen des Planeten bereits heute unter den Folgen des Klimawandels. Wie ernst sind die Beteuerungen der Politiker zu nehmen? Und was bedeutet globale Gerechtigkeit unter den Bedingungen des Klimachaos? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Kongresses, der einen Monat vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm stattfindet und als Barometer für den Stand der Mobilisierung zu den Gegenaktivitäten in und um Rostock gilt.

Unter dem Motto "Klima der Gerechtigkeit" haben diese Fragen einen anderen Klang als das Gefeilsche um Formulierungen, wie es beim kürzlichen US-EU-Gipfel in Washington wieder beobachtet werden konnte. Auf fünf großen Panels, in neun Foren und bei über 75 Workshops diskutieren die Teilnehmer über den Zusammenhang von Klimaschutz und globalen sozialen Rechten. Dabei sein werden zahlreiche prominente nationale und internationale Gäste - darunter Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, Meena Raman aus Malysia, Klaus Töpfer (deutscher Umweltminister und Direktor der UNEP a.D.), Marcelo Furtado (Brasilien) sowie Carlo Jaeger (Potsdam Institut für Klimafolgenforschung). Dazu gibt es ein Kulturprogramm mit Film, Performance und Workshops, bevor am Samstag Abend die große McParty steigt. Bei einem Basar der Alternativen stellen sich viele verschiedene Organisationen und Initiativen mit attraktiven Ständen vor.

McPlanet.com wird organisiert von Attac Deutschland, dem BUND, Greenpeace, der Heinrich-Böll-Stiftung und - erstmals dabei - dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) sowie in Kooperation mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Der G8-Blog wird dabei sein und berichten.

Mittwoch, 2. Mai 2007

Mehr Bildungs- und Gesundheitshilfe erforderlich: G8-Gipfel muß Weichen stellen

Eher beiläufig verlautete aus dem deutschen Sherpa-Stab beim Civil G8-Dialog letzte Woche in Bonn, daß auf dem Gebiet der Bildungs- und Gesundheitshilfe mehr Anstrengungen erforderlich seien, als ursprünglich von der deutschen G8-Agenda vorgesehen. In der Tat: In den Ländern des Südens herrscht ein chronischer Mangel an Fachkräften – nicht an hoch bezahlten sog. Experten aus dem Westen, sondern an anständig bezahlten einheimischen Arbeitskräften. Konkret: Es fehlen 2,1 Millionen Lehrkräfte und 4,3 Millionen KrankenpflegerInnen und Ärzte. 80 Millionen Kinder können deshalb nicht zur Schule gehen und Millionen Kranke nicht versorgt werden. Wenn die Millenniumsziele im Bereich Bildung (Grundschulbildung für alle Kinder bis zum Jahr 2015) und Gesundheit (Reduizierung der Kinder- und Müttersterblichkeit, Kampf gegen HIV/AIDS) erreicht werden sollen, muß dies schleunigst geändert werden. Wie, das zeigt eines neue Oxfam-Studie, die der Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung in einer Hintergrund-Ausgabe veröffentlicht hat (s. Abbildung) und die jetzt auch als Printversion verfügbar ist (>>> W&E-Hintergrund Apr-Mai 2007).

Um die Personallücke zu schließen, müßten jährlich 13,7 Mrd. US-Dollar investiert werden. Doch gerade einmal 8% der weltweiten Entwicklungshilfe werden verwendet, um Fachpersonal für Bildung und Gesundheit zu bezahlen. Deutschland stellt nur 5% seiner bilateralen Entwicklungshilfe für Bildung und nur 9,8% für den Gesundheitssektor bereit (2006). Die Oxfam-Studie „Paying for People“ kommt zu dem Schluß, daß künftig 25% der öffentlichen Hilfe des Nordens in den Bildungs- und Gesundheitssektor der Entwicklungsländer fließen müssen, wenn sich an dieser Situation etwas ändern soll. Weichen in dieser Richtung könnten schon in sechs Wochen, auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm, gestellt werden.

Dienstag, 1. Mai 2007

Zwei Welten: Caritas Internationalis tagt demonstrativ parallel zum Gipfel der G8-Staaten

Die Internationale der Caritas, Caritas Internationalis, organisiert parallel zum Gipfel der G8-Staaten Anfang Juni ein internationales Treffen, bei dem unter anderem Nobelpreisträger Wangari Maathai oder Kardinal Renato Martino, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, zu Wort kommen werden. Wie Caritas-Generalsekretär Duncan MacLaren Ende letzter Woche ankündigte, wird sich das Bild dieser Begegnung, die im Rahmen der 18. Vollversammlung der Hilfsorganisation in Rom über die Bühne geht, sehr deutlich vom Bild des G8-Gipfels unterscheiden. Die Caritas-Vollversammlung wird vom 3. bis 9. Juni tagen, die Regierungschefs der führenden Industrienationen vom 6. bis 9. Juni.

„Auf der einen Seite hat man die Staatenführer, die die Interessen der reichsten Länder der Welt mit einem gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt von mehr als 30 Billionen Dollar vertreten, und auf der anderen Seite die Vertreter der Zivilgesellschaft, die für jene drei Milliarden Menschen arbeiten, die mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen", erklärte MacLaren. Der Generalsekretär von „Caritas Internationalis“ forderte die Staaten der G8 auf, ihre Versprechen hinsichtlich der Unterstützung der ärmeren Länder einzuhalten. Er merkte an, daß es Anzeichen gebe, sich von den Vereinbarungen, die beim G8-Gipel vor zwei Jahren im schottischen Gleneagles getroffen worden waren, zu entfernen. Damals waren Entschuldungsmaßnahmen und die Aufstockung der Entwicklungshilfe um 50 Mrd. € beschlossen worden. – Caritas Internationalis ist ein Hauptträger der weltweiten katholischen Kampagne Make Aid Work. The World Can’t Wait (s. Abbildung).