Mittwoch, 9. Mai 2007

G8-Arbeitsminister: Soziale Dimension als Werbeveranstaltung für Globalisierung

Es müsse immer wieder an die Vernunft appelliert und für die internationalen Kernarbeitsnormen geworben werden, sagte Franz Müntefering zum Abschluß des G8-Arbeitsministertreffen gestern in Dresden. Der „Heuschrecken-Theoretiker“ müßte eigentlich wissen, daß sozialer Fortschritt wenig mit gesundem Menschenverstand und Werbung, aber um so mehr mit Macht und Gegenmacht zu tun hat. Doch bei dem Treffen vom 6.-8. Mai wurde die „soziale Dimension der Globalisierung“ im wesentlichen als Showcase gehandhabt: Harte Beschlüsse wurden vermieden zugunsten effektvoller Deklamationen.

So haben die Minister die jüngste OECD-Beschäftigungsstrategie bestätigt, der zufolge jedes Land „eine ausgewogene Kombination von Flexibilität und Sicherheit“ anstreben müsse, wie es in den Schlußfolgerungen des Vorsitzes der G8-Arbeitsminister heißt. Immerhin impliziert diese Formulierung, daß die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes die soziale Sicherheit relativiert. Starken Nachholbedarf bei der Durchsetzung des Sozialschutzes sahen die Arbeitsminister vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, wobei sie auf die Decent-Work-Agenda und die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verwiesen. Kurioserweise ermutigten sie die ILO, „mit der Weltbank, der Welthandelsorganisation (WTO) und anderen internationalen Organisationen bei der Behandlung dieser Themen zusammenzuarbeiten“.

Umgekehrt würde diese Aufforderung mehr Sinn machen, ist doch die WTO bis heute nicht bereit, ihren Sanktionsmechanismus auch für die Durchsetzung der Einhaltung elementarer Sozialstandards zur Verfügung zu stellen. Immerhin laden die Schlußfolgerungen „die WTO-Mitglieder und interessierte internationale Organisationen ein, in enger Zusammenarbeit mit der ILO die Einhaltung und Umsetzung von international anerkannten Kernarbeitsnormen zu fördern.“ Und: „Wir setzen uns auch dafür ein, daß menschenwürdige Arbeit, insbesondere die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen, in bilateralen Handelsabkommen umfassend berücksichtigt wird.“ Man wird also schon bald, wenn wieder ein solches Abkommen unterzeichnet wird, beobachten können, wie ernst dies gemeint ist.

Das Thema „gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen“ (CSR: Corporate Social Resposibility) erwies sich auch in Dresden als erstrangige Spielwiese, auf der dafür gesorgt werden soll, daß die mangelnde Verbindlichkeit etwa der OECD-Leitsätze für multinationale Konzerne kaschiert wird. CSR ist das, was Unternehmen „zusätzlich“ und „freiwillig“ zu ihren gesetzlichen Verpflichtungen an sozialer Verantwortung übernehmen können. Daß Gewerkschaften mehr verpflichtende Regelungen anstreben, ist klar, stößt aber derzeit selbst beim sozialdemokratischen Vizekanzler auf wenig Gegenliebe. So blieb denn wichtiger als das ministerielle Ereignis in Dresden, daß zur selben Zeit Germanwatch Beschwerde gegen den VW-Konzern einreichte und das Siegburger Südwind-Institut enthüllte, welche erbärmlichen Arbeitsbedingungen in den Zulieferketten von Aldi herrschen.

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