Samstag, 5. Mai 2007

McPlanet.com: Klima der Gerechtigkeit im Kapitalismus?

Wer den wohl eingeladen hatte? Jan Burdinski, der schon die FDP bei Online-Kampagnen beraten hat und jetzt ein „Institut für politische Analysen und Strategie“ unterhält, forderte ausgerechnet die TeilnehmerInnen des McPlanet-Kongresses „Klima der Gerechtigkeit“, der gestern in Berlin begann, dazu auf, „die Klimahysterie zu stoppen“. Wo Wachstum hoch sei, gehe die Armut schon zurück, und mit der angeblich klimaneutralen Nuklearenergie werde es schon möglich sein, den Klimawandel unter Kontrolle zu bringen, so einige seiner Thesen, die das überwiegend jugendliche Publikum zwar zum Widerspruch provozierten, aber dennoch in erstaunlicher Toleranz über sich ergehen ließ.

Wenn auf dem Treffen der rund 1500 TeilnehmerInnen etwas deutlich wurde, dann daß wir unmittelbar „vor einer Renaissance der Wachstumsdebatte“ (Reinhard Loske) stehen. Die Ökonomen mögen – zumal in Deutschland – über das wieder erwachte Wirtschaftswachstum jubeln – von zwei Seiten her gerät das Business as Usual unter Druck: Klimawandel und wachsende soziale Ungerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille, und beide können nur zurückgedrängt werden durch das Empowerment der Menschen gegenüber der Unbill der Märkte, wie der Mitbegründer des World Social Forum aus Brasilien, Candido Grzybowski, in Berlin klar machte. Grzybowski ist kein Fundamentalist, aber er will nicht einsehen, warum die Regierung Lula nicht in der Lage ist, ihr durchaus lobenswertes Programm gegen den Hunger stärker mit eine Relokalisierung im Bereich der Nahrungsmittelproduktion zu verknüpfen. Statt dessen ist Brasilien derzeit der globale Vorreiter bei der Produktion „grüner“ Brennstoffe, die in Wirklichkeit als „agro-business fuels“ zu charakterisieren seien.

Ein Streitgespräch zu dem interessanten Thema „Ökologischer Kapitalismus oder kapitalistische Ökologie?“ entspann sich zwischen Ralf Fücks (Heinrich-Böll-Stiftung) und Chris Methmann (Attac). Die elegante Vorgabe von Fücks, daß auf die soziale nunmehr die ökologische Zivilisierung des Kapitalismus folge und das weiche Reputationsrisiko im Verein mit den harten ökonomischen Risiken eine neue Dynamik des Kapitalismus im Sinne einer dritten industriellen Revolution, eine postfossilistische Ökonomie, auslöse, konterte Methmann u.a. damit, daß dies die Zurückdrängung der sozialen Fortschritte im Zeichen der neoliberalen Offensive nicht in Rechnung stelle. Am Ende waren beide nicht so weit auseinander, wie die etwas reißerische Anlage des Disputs hätte vermuten lassen. Allenfalls graduelle Unterschiede, wie weit die soziale und ökologische Regulierung und Rahmensetzung zu gehen hätten, blieben. Vielleicht sollten Attac dabei künftig etwas mehr Energie in die Ausarbeitung konsequenter Reformvorschläge investieren und die Grünen sich wieder etwas mehr auf ihre Ausgangspunkte besinnen. – Eine Frage freilich blieb ungeklärt, wo denn der Punkt liegt, an dem die Konstellation von Druck, Aushandlung und Marktanreizen wirklich zur Auslösung einer neuen, sich selbst tragenden Marktdynamik in Richtung sozial-ökologischer Kapitalismus führt, in der die retardierenden Momente keinen Chance mehr haben.

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