Freitag, 27. April 2007

Gastkommentar: Die G8 inner- und außerparlamentarisch unter Druck setzen

Von Jürgen Trittin, MdB

Die Zeit drängt. Und zwar gewaltig. Dieser einfache Gedanke müßte genügen, um die Frage zu beantworten, ob man an die G8 trotz ihrer grundsätzlichen Kritikwürdigkeit Forderungen stellen sollte. Man muß! Natürlich sollten Fragen globaler Gerechtigkeit im Prinzip nicht bei exklusiven Gipfeltreffen einiger weniger Staaten entschieden werden, sondern unter dem Dach der UN. Natürlich bräuchten wir eine schlagkräftige UN-Umweltorganisation und ein UN-Gremium der Koordination globaler Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dafür sollten wir uns auch mit Nachdruck engagieren. Doch die globalen Umweltprobleme und das Massenelend der Welt warten nicht, bis die schwerfälligen und immer wieder stockenden UN-Reformen endlich zu einem befriedigenden Resultat kommen. Derzeit sind die G8 noch zentral in der globalen Machtstruktur. Ihre Absprachen und Entscheidungen sind wichtig für die Lebenschancen Hunderttausender und für die Chancen, den Klimawandel zu stoppen. Deshalb müssen wir die Regierungen der G8-Staaten unter Druck zu setzen, inner- und außerparlamentarisch.

Bei Armut und Klimawandel zählt nur eines: Die Welt kann nicht warten! Der „Club der Reichen“ ist ein Club der rauchenden Schornsteine und Auspuffe. Mit den G8 treffen sich einige der größten Klimaverschmutzer der Welt. Die Verursacher der Erderwärmung müßten jetzt mit einer ambitionierten Klimaschutzinitiative ein mächtiges Signal der Verantwortung und des Umsteuerns an die Welt senden. Denn die Hauptlast des Klimawandels tragen nicht die Reichen, die ihn verursachen, sondern zuerst die Armen des Südens. Je ärmer und schwächer die Menschen oder Länder sind, desto geringer ihre Möglichkeiten sich an den Klimawandel anzupassen und sich zu schützen.

Doch schon jetzt kündigt sich an, daß sich die Klimasünder auf dem Gipfel wieder hinter dem jeweils anderen verstecken werden. Im Vorfeld des EU-Gipfeltreffens mit den USA in Washington blockieren die USA nach wie vor jede verbindliche Zusage zu Klimaschutzzielen. Das ist sicher kein gutes Zeichen für den G8-Gipfel. Daher muß der öffentliche Druck auf den Gipfel verstärkt werden. Es darf nicht bei leeren und wohlklingenden Verlautbarungen zum Klimaschutz bleiben. Die Bundesregierung muß an ihrem erklärten Ziel gemessen werden, auf dem Gipfel verbindliche Zusagen zur Reduktion von Treibhausgasen zu erreichen.

Es bleibt unbefriedigend, daß Entscheidungen von derartiger Tragweite im Kreis einer kleinen Machtelite gefällt werden. Doch die angesprochenen Probleme sind zu dringend, um auf eine gerechtere und demokratischere globale Struktur der Partizipation zu warten. Wir müssen auf allen Ebenen handeln, um den Planeten zu retten und endlich weltweit soziale Menschenrechte voranzubringen. Deshalb ist es richtig, lautstark die G8 zum Handeln aufzufordern.

Jürgen Trittin ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender und außenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag.

Donnerstag, 26. April 2007

Am Runden Tisch mit den Sherpas: Erstrahlen die G8 im Feuerwerk der NGO-Forderungen erst richtig?

Auf dem abschließenden Round Table des G8-Dialogs mit der Zivilgesellschaft räsonnierte Masahuru Kohno, stellvertretender Außenminister und G8-Sherpa aus Japan, über die Welt. Würde sein Premierminister im nächsten Jahr, wenn der Gipfel nach Hokkaido kommt, sein nationales Motto „Für ein schönes Land“ abwandeln zu dem Gipfelmotto „Für eine schöne Welt“? Die NGOs lachten, aber sie müssen gewaltig Obacht geben, daß sie sich nicht heillos in ein Dilemma verstricken, das folgendermaßen beschrieben werden kann: Je mehr und je detailliertere Forderungen und Erwartungen sie an die G8 richten, desto mehr nähren sie den Eindruck: Die Großen Acht werden’s schon richten in der „Brave New World“. Warum zum Beispiel müssen die G8 sich ausgerechnet auch noch regelmäßig mit dem Thema Biodiversität befassen (wie der Vizepräsident des Deutschen Naturschutzrings, Manfred Niekisch, forderte), wo es dazu doch die eingeführten Gremien und Vertragsstaatskonferenzen der Biodiversitätskonvention gibt?

In der Abschlußrunde des „Civil G8 Dialogue“ entfachten die 20 NGO-VertreterInnen, zu denen jetzt auf einmal auch eine Repräsentantin des BDI gehörte, die mit den leibhaftigen Sherpas am Tisch sitzen durften, noch einmal ein kleines Feuerwerk ihrer Forderungen – von weltwirtschaftlichen Themen wie der Doha-Runde, den Hedgefunds und der Entschuldung über die Klima- und Energiepolitik bis hin zu Afrika, das sich auch der Gipfel in Heiligendamm, der z.Zt. vorbereitet wird, wieder als eines von zwei Schwerpunktthemen ausgesucht hat.

Doch der deutsche Sherpa Bernd Pfaffenbach tat einfach so, als könne er die Gegensätze zwischen den Positionen Martin Khors vom Third World Network (oder auch des DGB-Vertreters Jürgen Eckl) und Claudia Wörmanns vom BDI, die im wesentlichen die Forderungen des gestrigen G8 Business Summits vortrug, nicht erkennen. Interessant, daß er auf die BDI-Forderungen gar nicht explizit Bezug nahm – sie haben sowieso ihre festen Platz auf der deutschen G8-Agenda. – Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) ist für die Klarstellung zu danken, daß die Doha-Runde aus NGO-Sicht bis heute kaum etwas gemein hat mit einer „Entwicklungsrunde“, als die sie auch Pfaffenbach wieder darstellen wollte.

Im übrigen gab der Runde Tisch (der in Wirklichkeit ein eckiger war) für den aufmerksamen Beobachter leider mehr Auskunft über den Stand des G8-Verbereitungsprozesses als über innovatives Intervenieren der NGO-Szene in diesen Prozeß. Das Statement des englischen Sherpas, Oliver Robbins, beispielsweise bezeugte noch einmal den überkommenen Versuch, die USA auf Biegen und Brechen mit ins Boot des Klimaschutzes zu bekommen. Der US-Sherpa David H. McCormick beglückwünschte die deutsche Präsidentschaft dafür, daß sie versuche, die O5-Länder mit ins Boot zu holen. Daß ausgerechnet er an die Notwendigkeit des gemeinsamen Handelns in Sachen Klimaschutz appellierte, zeigte allerdings eher, wie isoliert die US-Regierung inzwischen ist. Und besonders passend zum heutigen Tschernobyl-Tag wollte der russische Sherpa, Igor Shuvalov, dann doch noch einmal anmerken, daß die Atomenergie beim Klimaschutz nicht vergessen werden dürfte. Immerhin provozierte er damit den einzigen Zwischenruf der Veranstaltung, die ansonsten sehr zivilisiert über die Bühne ging.

G8-Dialog mit der Zivilgesellschaft: Der Klimawandel als „Business case“

Der Klimaschutz entwickelt sich immer mehr zu dem wahrscheinlichen Megathema des G8-Gipfels in Heiligendamm. So begann der zweite Tag des G8-Dialogs mit der Zivilgesellschaft in Bonn mit diesem Thema. Der 26. April ist der Tag, an dem vor über 20 Jahren die Katastrophe von Tschernobyl ihren Lauf nahm. Und so stand am Anfang des Morgenplenums eine Schweigeminute für die Opfer. Danach kam niemand mehr auf die Idee, die Atomenergie sei ein Instrument des Klimaschutzes. Sie ersetze des Klimarisiko durch andere Risiken wie die Pest durch Cholera, meinte Karsten Zach vom Bundesumweltministerium.

Zach informierte die Teilnehmer darüber, daß die Bundesregierung in der Heiligendamm-Vorbereitung fünf Verhandlungsziele verfolge. Sie wolle, daß der Gipfel (1) eine langfristige Vision zum Klimaschutz verabschiede, (2) Initiativen für klare Anreizsysteme für die Märkte ergreife, (3) Technologien wie Energieeffizienz und Erneuerbare Energien, aber auch „saubere Kohle“, favorisiere, (4) die noch vorhandenen Anreize zur Waldabholzung reduziere und schließlich (5) einen klaren Verhandlungsplan für die Post-Kyoto-Zeit (mit einem Startschuß 2008 und einem Abschluß 2009) zustande bringe.

Die Diskussion brachte wenig Neues in der Debatte, ob der CO2-Ausstoß bis 2020 um 20% (wie in der EU beschlossen) oder um 30% (wie von den NGOs gefordert) verringert werden soll. Angelika Zahrnt von BUND merkte kritisch an, daß die Klimapolitik der Bundesregierung um so fortschrittlicher formuliert werde, je weiter entfernt der Tagungsort ist. Unverkennbar sei auch eine Tendenz zu „leichten Lösungen“, die oft keine Lösungen seien. Prominente Beispiele seien hier Wiederentdeckung der Kohle als „clean coal“ und die Erlösung, die viele in der Biomasse sehen. Interessant war, daß Hans Verlome von WWF Zweifel daran anmeldete, ob der Versuch der Bundesregierung, China im Rahmen des O5-Prozesses auch in die Klimapolitik einzubinden, der geeignete Ansatz sei. Wer nicht wolle, daß die Chinesen angesichts des westlichen Drucks die Geduld verlieren, müsse anerkennen, welche enormen Fortschritte im Umweltschutz in China heute schon erzielt worden seien. Zur Unterstützung dieser Entwicklung müßten die G8-Staaten mehr und überzeugendere Angebote zur Technologie-Kooperation machen.

Zu langsam ist die deutsche Wirtschaft nach Ansicht von Michael Antony vom Allianz-Konzern bei der Entwicklung von Ansätzen, den Klimaschutz in Geschäftschancen umzumünzen. In der Tat ist nicht überall so klar wie in der Versicherungsbranche, welche Herausforderung der Klimawandel auch in wirtschaftlicher Hinsicht mit sich bringt. An den G8-Gipfel hat Antony, der maßgeblich an der neuen Klimastrategie der Allianz mitgewirkt hat, die Erwartung, er möge sich auf ein Reduktionsziel von 20% bis 2020 und 60-80% bis 2050 und einen klaren Verhandlungsplan für die Zeit nach Kyoto einigen. Investoren brauchten klare Rahmenbedingungen. Denn es gebe Schlimmeres als Regulierung: Unsicherheit.

Erster G8-Business Summit in Berlin: Die Henne oder das Ei?

Während Martin Khor vom Third World Network gestern beim G8-Dialog der Zivilgesellschaft in Bonn beklagte, daß die Handelsminister aufgehört hätten, Politik im Interesse ihrer Völker zu machen, und nur noch die Interessen spezieller Lobbies verträten, lieferte der erste G8 Business Summit in Berlin ein exemplarisches Schaustück dafür, daß dieser Vorwurf auch im Blick auf das Verhältnis zwischen deutscher G8-Präsidentschaft und den G8-Industriellenverbänden nicht allzu weit hergeholt ist. In einer G8 Joint Business Declaration forderten die acht Dachverbände der Wirtschaft der G8-Staaten, der Gipfel in Heiligendamm sollte sich u.a. stark machen für mehr „Investitionsfreiheit“, besseren Innovations- und Patentschutz und günstigere Bedingungen für Privatinvestitionen in Afrika.

Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach den Industrievertretern im Gegenzug, man werde „versuchen, diese Gedanken aufzunehmen“. Nun sind die auf der vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) organisierten Veranstaltung erhobenen Forderungen allerdings schon so lange fester Bestandteil der deutschen G8-Agenda, daß sich wieder einmal die alte, nicht zu beantwortende Frage stellt, wer hier die Henne und wer das Ei ist.

Vom harmonischen Einvernehmen zwischen Regierung und Großkapital in Berlin hob sich wohltuend ab, daß beim „Civil G8 Dialogue“ in Sachen Wirtschaft die Gegensätze dann doch offen zutage traten. Khor widersprach dem westlichen Dogma, daß Entwicklung um so besser funktioniere, desto stärker Innovationen patentrechtlich geschützt würden. Während in Berlin das Lied vom wünschbaren baldigen Abschluß der Doha-Runde gesungen wurde, unterstrich Khor in Bonn, daß dies beim gegenwärtigen Stand der Dinge einfach kein fairer Deal für die Dritte Welt sei. Und Ronny Hall von Friends of the Earth International beklagte, daß es zwei strikt voneinander getrennte Systeme von Global Governance in der Welt gebe: hier das System der Vereinten Nationen und dort die wirtschaftlichen Institutionen mit der WTO im Zentrum. Die G8 hätten bislang noch allemal dafür gesorgt, daß letztere über ersteres die Oberhand behielten.

Mittwoch, 25. April 2007

G8-Dialog mit der Zivilgesellschaft: Clever demonstrierte Offenheit und Partizipation

Für zwei Tage verwandelt sich nun die Bonner Beethoven-Halle in das gemeinsame Boot des Dialogs zwischen der Bundesregierung und zahlreichen NGOs aus G8-Staaten sowie Schwellen- und Entwicklungsländern. Der erste Tag brachte kaum Kontroversen und belegte eher das Bonmot von Karl-Ernst Brauner aus dem Wirtschaftsministerium, der die Frage von Michael Glos „Warum heißt es eigentlich Zivilgesellschaft“ so beantwortete: Das seien die, die immer so zivilisiert diskutieren. Ulrich Benterbusch vom Sherpa-Büro der deutschen G8-Präsidentschaft sah seit Gleneagles gar eine Kehrtwende zum Dialog. Und wie man mit NGOs umgehen müsse, in dieser Frage habe die Bundesregierung sehr viel von Tony Blair und Wladimir Putin gelernt.

Der Form nach ist der Civil G8 Dialogue in der Tat ein Novum. Fast 250 TeilneherInnen diskutieren die deutsche G8-Agenda für Heiligendamm rauf und runter und manchmal auch darüber hinaus. Die Keynote-Adresse der Entwicklungsministerin, Heidemarie Wieczorek-Zeul, paßte da eher nicht hinein. Denn die Ministerin variierte konsequent das Muster „Ich sage hier meine Meinung, die nicht immer (meistens nicht; RF) die aller anderen G8-Mitglieder ist, um es sehr diplomatisch zu formulieren.“ Immerhin fand sie starke Worte für mehr G8-Engagement im Kampf gegen HIV/AIDS und forderte eine entwicklungsverträgliche Revision des TRIPS-Abkommens über geistiges Eigentum. Im letzten Punkt freilich dürfte der G8 eher eine an den nördlichen Konzerninteressen orientierte Verschärfung fordern.

Die zahlreichen NGO-Sprecher, die zu Wort kamen, unterschieden sich erwartungsgemäß in der graduellen Reichweite ihrer Forderungen. Uli Post (VENRO) kritisierte, daß auf der deutschen G8-Agenda ein Umsetzungsplan für die vor zwei Jahren in Gleneagles gegebenen Versprechen schlicht fehle. Auch das Thema Biodiversität komme überhaupt nicht vor. Jürgen Maier (Forum Umwelt & Entwicklung) schwärmte von einem globalen Deal zwischen G8 und O5 (Outreach-5-Staaten: Brasilien, Indien, Südafrika, Mexiko und China) in puncto Klimaschutz und Energiepolitik; bemängelte aber, daß bis heute nicht deutlich werde, was die O5 davon hätten. Thomas Münchmeyer von Greenpeace will eine Festlegung des Gipfels auf ein CO2-Reduktionsziel von 30% bis 2020, ein Abbremsen der Klimaerwärmung auf weniger als 2° Celsius und ein klares Verhandlungsmandat für die Klimakonferenz in Bali Ende des Jahres. Dabei müsse die G8 notfalls vom Konsenszwang abrücken und auch mal ohne die USA aktiv werden.

Etwas Wasser in den Wein schüttete allerdings Peter Wahl von Attac und prognostizierte, daß der Gipfel in Heiligendamm die magersten Ergebnisse eines G8-Gipfels seit Jahren bringen werde. Nicht nur, weil die alten Herren wie Bush, Blair und Chirac dann nicht mehr oder nur noch als „lahme Ente“ dabei seien. Zumal mit der Erweiterung des Gipels zu G8 plus O5 seien die Widersprüche so groß wie noch nie. Schon seit der Aufnahme Rußlands habe der Club immer weniger zustande gebracht. Da fragt man sich doch, ob es überhaupt noch notwendig ist, daß Attac so lautstark „Keine Macht für G8!“ ruft.

„Impuls von Gleneagles“: Bundesregierung unter Druck des Africa Progress Panel

Rechtzeitig am Vorabend des „Civil G8 Dialogue“ mit NGOs aus den G8-Ländern sowie Schwellen- und Entwicklungsländern hat die Bundesregierung erklärt, Deutschland werde auf dem G8-Gipfel „den Impuls von Gleneagles aufgreifen“. Gleichzeitig bekräftigte sie jedoch ihren Standpunkt, es gehe nicht nur um finanzielle Unterstützung, sondern auch um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für internationalen Handel und Investitionen. Die Erklärung erfolgte unmittelbar nachdem das Africa Progress Panel mit Kofi Anan an der Spitze die Bundeskanzlerin davor gewarnt hatte, die G8-Staaten könnten die gegenüber Afrika eingegangenen Verpflichtungen, die Entwicklungshilfe für den Kontinent bis 2010 zu verdoppeln, verfehlen. Es gebe „Grund zur Sorge“, heißt es in dem ersten Bericht des Panels, der gestern abend an Merkel übergeben wurde.

Das im Juni letzten Jahres gegründete Africa Progress Panel ist ein hochrangiges Monitoring-Gremium, dem neben Kofi Annan u.a. der ehemalige Geschäftsführer des IWF, Michel Camdessus, der Friedensnobelpreisträger Mohammad Yunus, der Gründer von Transparency International, Peter Eigen, der ehemalige US-Finanzminister Robert Rubin und die ehemalige Bildungs- und Kulturministerin Mosambiks, Graca Machel, angehören. Co-Gründer sind der britische Premierminister Tony Blair und der Initiator der Live-Aid-Konzerte Bob Geldof.

Spätestens mit dem Haushaltsplan für 2008 muß die Bundesregierung konkrete Zahlen vorlegen, wie sie den drohenden Einbruch der deutschen EZ-Ausgaben verhindern will, wenn Schuldenstreichungen nicht mehr im bisherigem Umfang in die ODA-Statistik eingerechnet werden können. Gegenüber der Financial Times Deutschland erklärte der deutsche G8-Sherpa Bernd Pfaffenbach gestern, es werde Vorsorge getroffen, „daß wir die Stufen einhalten“ (die Entwicklungshilfe bis 2010 auf 0,51% und bis 2015 auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen). In Regierungskreisen wird damit gerechnet, daß Merkel noch vor dem Gipfel in Heiligdamm konkrete Zahlen nennen wird, um ein Zeichen zu setzen.

Dienstag, 24. April 2007

Internationaler Gewerkschaftsbund (ITUC) erinnert G8 an AIDS-Versprechen

Wenige Tage vor dem 12. Internationalen Tag der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (28. April), der an die während der Arbeit ums Leben gekommenen ArbeiterInnen erinnern soll, hat der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) die G8 aufgefordert, ihre Anstrengungen im Kampf gegen die Ausbreitung der AIDS-Pandemie zu verstärken. Derzeit leben weltweit fast 40 Millionen Menschen mit AIDS. Über die Hälfte der Erkrankten sind Teil der arbeitenden Bevölkerung und im Alter zwischen 15 und 49 Jahren. Viele ArbeiterInnen, die zu schwach sind, um weiterhin zur Arbeit zu gehen, sind von ihren Kindern abhängig, auf denen dann die Last ruht, für die Familie zu sorgen.

Obwohl der Kampf gegen AIDS als eines der Millennium-Entwicklungsziele ganz oben auf der globalen Agenda steht, wurde bislang zu wenig erreicht. Die Gewerkschaften haben bereits letztes Jahr auf das G8-Treffen Druck ausgeübt. Der Gipfel von 2006 in St. Petersburg verpflichtete sich, praktische Maßnahmen zum Monitoring von AIDS und anderer ansteckender Krankheiten zu ergreifen, Berichte zu veröffentlichen und Informationen zu verbreiten. Doch diese Verpflichtungen hatten nicht die gewünschten Ergebnisse. Der ITUC erneuert deshalb seine Forderung an den kommenden G8-Gipfel in Heiligendamm, die versprochene Entwicklungshilfe und die angekündigten Beiträge zum Globalen Fonds gegen AIDS, Malaria und Tuberkulose sobald wie möglich auszuzahlen. „Die G8 müssen die Verpflichtungen vom letzten Jahr einhalten und ihre Anstrengungen verstärken, diese Pandemie zu stoppen“, sagt ITUC-Generalsekretär Guy Ryder. „Sie sind in der Lage dazu und müssen dies deshalb zur Handlungspriorität für 2007 machen.“

Montag, 23. April 2007

Slow Trade – Sound Farming. Handelsregeln für eine global zukunftsfähige Landwirtschaft


Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) und das katholische Hilfswerk Misereor präsentieren heute in Berlin einen Bericht mit Vorschlägen für eine grundlegende Reform des weltweiten Agrarhandels. Der Bericht Slow Trade – Sound Farming. Handelsregeln für eine global zukunftsfähige Landwirtschaft stellt die WTO mit ihrer reinen Marktliberalisierungslogik in Frage und setzt auf ein multilaterales Regelsystem, das nicht den undifferenzierten Abbau von Handelsschranken zum Ziel hat, sondern den Warenaustausch nach Prinzipien, wie Menschenrechte, Bewahrung der Umwelt, Multifunktionalität der Landwirtschaft und Extraterritoriale Verantwortung gestaltet.

„Während gegenwärtig der Abbau von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen oberstes Ziel in Welthandelsverträgen ist, um einen vereinigten globalen Markt zu schaffen, wäre das wichtigste Ziel einer Welthandelsinstitution der Zukunft, den Agrarhandel zu gestalten und nicht zu deregulieren“, sagt Wolfgang Sachs vom Wuppertal-Institut, einer der Hauptautoren der Studie. „Dazu wären u.a. mehr politischer Spielraum für die Nationalstaaten, eine koordinierte Angebotssteuerung zur Stabilisierung von Agrarpreisen sowie wirksame Wettbewerbsregeln und Qualitätsvorgaben für den internationalen Agrarhandel notwendig.“ Der Bericht empfiehlt sowohl aus entwicklungs- als auch aus umweltpolitischer Perspektive eine Priorisierung regionaler Agrarproduktion und regionalen Handels vor Weltmarktorientierung. Einfuhrzölle und -quoten sowie eine öffentliche Unterstützung der Landwirtschaft werden als Steuerungsinstrumente für legitim erachtet, solange sie einer sozial gerechten und nachhaltigen Entwicklung dienen.

Barbara Unmüßig vom HBS-Vorstand unterstreicht: “Eine rein ökonomische Perspektive verkennt die sozial- und umweltpolitische Bedeutung des Agrarhandels. Ein Paradigmenwechsel ist notwendig: Der weltweite Handel muß endlich so gestaltet werden, daß er den Anforderungen der Armutsbekämpfung und des Klimawandels gerecht wird.“ Die Chancen für einen Wandel stehen nicht schlecht: Auch wenn der G8-Gipfel in Heiligendamm Wiedebelebungsversuche unternehmen wird, drohen die Verhandlungen zu einer weiteren Liberalisierung des Agrarhandels im Rahmen der WTO derzeit zu scheitern.“ Josef Sayer von Misereor sagte bei der Präsentation des Berichts: „Aus allen Regionen der Welt berichten uns unsere Projektpartner über die verheerenden Auswirkungen von Freihandelsabkommen. Dazu gehört z.B. die Zunahme an Importen billiger Nahrungsmittel in einer Vielzahl von Ländern und deren ruinöse Folgen für den Marktzugang von Kleinbauern auf ihren lokalen Märkten.“

Eine Besonderheit des Berichtes ist seine Entstehungsmethode: Er ist erwachsen aus einem weltweiten Dialog, den sog. EcoFair Trade Dialogue, der in Nord und Süd geführt wurde und die Positionen und Erfahrungen einer großen Anzahl von Akteuren und Betroffenen aufgriff. In den letzten zwei Jahren wurden dazu Konsultationen in allen Kontinenten der Welt durchgeführt. Nun soll der EcoFair Trade Dialogue in eine zweite Etappe treten. Am 24. April findet in Berlin eine internationale Konferenz statt, auf der die Reformvorschläge präsentiert und mit prominenten Gästen aus der ganzen Welt diskutiert werden.

Sonntag, 22. April 2007

Rock, Pop, Rap: Die Welt kann nicht warten!

So viel Polit-Engagement war noch nie unter den Popmusikern aller Couleur. Es sind keineswegs nur Bono & Co., die die G8 aufrufen, ihre Versprechen gegenüber den Ärmsten der Welt einzuhalten. An diesem Wochenende zum Beispiel geht das dreitägige Festival Move Against G8 mit unzähligen Punkbands in Berlin über die Bühne. Dabei sind u.a. die mexikanische Skaband Panteon Rococo, die SkaLatin-Punkband aus Dänemark, Biala Goraczka aus Polen, die Boygroup Punkrock Boys aus Berlin und die kalifornischen Melodic-Punker LagWagon. Die Einnahmen werden für die G8-Mobilisierung verwendet, ebenso der Verkaufserlös aus einem CD-Sampler von Move Against G8.

Schon am Wochenende davor heizten die britische Band Faithless (auf dem Foto Frontman Maxie Jazz) und der sudanesische Rapper Emmanuel Jal zahllosen Fans in der Berliner Columbia-Halle ein. Auf dem Höhepunkt des von Oxfam organisierten Konzerts riefen die Musiker die Fans dazu auf, sich an der Oxfam-SMS-Aktion zu beteiligen. JedeR ist aufgefordert, eine SMS mit dem Stichwort „Angela“ an die Kurzwahl 72768 zu schicken. Jede SMS zählt für die Aktion Deine Stimme gegen Armut. Die Stimmen werden vor dem G8-Gipfel Anfang Juni an die Bundeskanzlerin übergeben. Durch die Oxfam-Aktion am vergangenen Wochenende waren es mit einem Schlag über tausend SMS-Stimmen mehr.

Der Höhepunkt der Künstler-Bewegung kommt am 7. Juni in Rostock, wenn Herbert Grönemeyer and Friends in unmittelbarer Nachbarschaft zum G8-Gipfel aufspielen. Wer alles zu den „Friends“ gehören wird, ist noch nicht ganz klar. Gehandelt werden Namen wie Bono und Peter Maffay.

Foto: Cornelius Zoch/Oxfam

Freitag, 20. April 2007

Gastkommentar: Konzert der Großmächte oder demokratische Global Governance?

Von Thomas Fues und Sachin Joshi

Dringender als je zuvor stellt sich auf dem Treffen der wichtigsten Industrieländer in Heiligendamm die Frage nach der Zukunft der Gipfelarchitektur. Der phänomenale Aufstieg der großen Schwellenländer, insbesondere Chinas und Indiens, hat eine neue Geographie der Weltwirtschaft und Globalpolitik hervorgebracht, die nicht mehr von vom Westen beherrscht werden kann. (Die militärische Hegemonie der USA ist ein anderes, wenn auch verbundenes Thema). Niemand hat dies klarer erkannt als die Bush-Regierung, wie der US-Politikwissenschaftler Daniel Drezner in der jüngsten Ausgabe von Foreign Affairs akribisch nachweist. Weitgehend unbemerkt von der internationalen Öffentlichkeit wollen die USA China und Indien in die multilateralen Institutionen einbinden und eine neue Triade der Großmächte installieren. Wer dabei stört, sind die europäischen Länder, die ihren Bedeutungsverlust im „asiatischen Jahrhundert“ nicht wahrhaben und an überholten Privilegien festhalten wollen.

Was kann Europa tun, um ein neues Konzert der Großmächte abzuwenden und einer demokratischen Global Governance zum Durchbruch zu verhelfen? Das Falscheste in dieser Situation wäre es, wenn die EU selber einen Großmachtstatus durch Aufbau militärischer Kapazitäten anstreben würde. Daran müßte die Union zerbrechen; ein Rumpfeuropa würde sich an dieser Anstrengung verheben. Der richtige Ansatz wäre hingegen, daß sich die EU konsequent zur Vorreiterin einen solidarischen Weltordnung aufschwingt und auf diese Weise Ansehen und Einfluß in der Welt mehrt. Dies schließt ein, daß die europäischen Länder überkommene Positionen räumen, um den aufsteigenden Mächten eine größere Gestaltungsmacht zu ermöglichen. Zum Beispiel sollten die EU-Staaten Stimmrechte und Sitze im IWF zusammenlegen und einer deutlichen Reduzierung zustimmen. Auch in einer reformierten Gipfelarchitektur, etwa in Form der angedachten „L20+“ von Staats- und Regierungschefs aus Nord und Süd (>>> W&E-Hintergrund Jul-Aug 2006), sollte die EU mit einem einzigen Sitz vertreten sein.

Wenn Europa nicht zum freiwilligen Machtverzicht und zum nachhaltigen Kurswechsel bereit ist, droht ein Konzert der Großmächte USA, China und Indien, das die Grundlagen der Vereinten Nationen unterhöhlen und demokratische Global Governance auf lange Sicht blockieren würde. Die europäischen Regierungen haben in Heiligendamm die Chance, demokratische Global Governance zu unterstützen. Die Frage ist, ob sie erste Schritte in diese Richtung tun werden.

Dr. Thomas Fues ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) und Mitherausgeber von W&E; Sachin Joshi forscht zu Governance und Nachhaltiger Entwicklung in New Delhi/Indien und besucht derzeit die DIE-Global Governance School.

Donnerstag, 19. April 2007

G8-Thema „Patentschutz“: Todesurteil für Tausende

Die Bundesregierung scheint fest entschlossen, das zwischen Nord und Süd heiß umstrittene Thema „Patentschutz“ zu einem zentralen Punkt auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm Anfang Juni zu machen. Das zeigt die gestrige Rede der Bundeskanzlerin auf dem Europäischen Patentforum in München. Daß sich die Bundesregierung dabei vor allem als Sprachrohr und verlängerter Arm der Spitzenverbände der deutschen Industrie sieht, zeigt ein Papier zu Präventivstrategien gegen Produktpiraterie, das Berlin gemeinsam mit der deutschen Wirtschaft erarbeitet hat. Auf dem G8-Gipfel strebe die deutsche Präsidentschaft einen verstärkten Dialog mit den großen Schwellenländern über das Thema an. Gegenüber Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika will Deutschland um zunehmende Verantwortung bei der Bekämpfung von Produktpiraterie werben, erklärte die Bundesregierung bei der Vorstellung des Industriepapiers.

Ob sie dabei erfolgreich ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber es ist offensichtlich, daß es der Großen Koalition vor allem darum geht, die Weichen für mehr und strengere Patente zu stellen. Zumindest im Bereich der Pharmaproduktion, so schreibt Thomas Gebauer von medico international heute in der taz, laufe jedoch jede weitere Verschärfung des Patentschutzes darauf hinaus, „weitere Menschen vom Zugang zu wirksamen Medikamenten auszuschließen“. Schon mit dem TRIPS-Abkommen über geistiges Eigentum im Rahmen der WTO, so der Nobelpreisträger Joseph Stieglitz, seien „tausende von Menschen in den ärmsten Ländern zum Tode verurteilt“ worden. Und die deutsche G8-Agenda zielt erkennbar über dieses Abkommen hinaus (>>> W&E 01/2007).

Instruktiv und um Versachlichung im "Krieg der Patente" (Gebauer) bemüht ist eine neue Studie des Intellectual Property Institute in London. In ihr werden vier Mythen, die über das System intellektueller Eigentumsrechte in der Volksrepublik China kursieren, mit den Fakten konfrontiert und Empfehlungen für den Heiligendamm-Gipfel formuliert (>>> Intellectual Property Rights in China).

Mittwoch, 18. April 2007

Bono bei Merkel, Attac bei YouTube

Der U2-Sänger Bono traf gestern mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen (s. Photo). Dabei habe die Kanzlerin zugesichert, daß das Thema „Afrika“ eine herausragende Rolle beim bevorstehenden Gipfel in Heiligendamm spielen werde. Die offizielle Pressemitteilung sagt auch gleich, wie das geschehen soll: „Dabei stehen Fragen wie die Verbesserung des Investitionsklimas, die Förderung nachhaltiger Investitionen und "good governance" im Mittelpunkt der Diskussionen.“ Ob dem Sänger zu dieser Ausrichtung etwas Kritisches einfiel, wurde bislang nicht bekannt. Dem Vernehmen nach soll er Merkel erneut eine „weise Frau“ genannt haben. Der deutsche NGO-Dachverband VENRO dagegen will sich am 15. Mai mit der Frage auseinandersetzen, ob private Direktinvestitionen tatsächlich ein Königsweg der Entwicklung sind.

Fetziger geht es naturgemäß bei Attac zu. Seit gestern steht ein Videoclip zur Mobilisierung für die G8-Proteste zur Verfügung. Die G8-Chefs schweben darin als Totengerippe durchs Bild. Ob das wohl auf das nahe Ende dieser Institution hindeuten soll, die „verantwortlich ist für die ganze Scheiße“, wie Philip Hersel von Blue 21 vor der Kamera zum besten gibt? Immerhin: In puncto Modernität steht Attac Bono in nichts nach. Die Vermarktung des Clips findet u.a. über die Internetplattform von YouTube statt >>> hier.

Dienstag, 17. April 2007

Gastkommentar: Der Gipfel muß für Afrika einen Investitionsschub in Erneuerbare Energien bringen

Von Ute Koczy, MdB

Der Fächer der Erwartungen ist weit gespannt. Das politische Berlin bereitet sich intensiv auf das Ereignis G8 vor – doch die Gefahr ist groß, daß all die Energie verpufft und nur schöne Worte die Misere in Heiligendamm verkleiden werden. Deswegen darf nicht vergessen werden, daß die G8-Präsidentschaft bis zum Ende des Jahres 2007 dauert und man auch Einfluß auf den EU-Afrika-Gipfel nehmen kann, der für Dezember angeplant ist.

In Heiligendamm rückt mit Afrika erfreulicherweise der Kontinent in den Mittelpunkt, der unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten, wie Klimawandel, der HIV/AIDS-Pandemie oder der Ressourcen-Ausbeutung, unter Druck gerät. Gleichzeitig kann Afrika auch mit steigendem Selbstbewußtsein Mitspieler bei Entscheidungen werden. China braucht Rohstoffe und die G8-Staaten erleben jetzt eine Konkurrenz unter ähnlichen Vorzeichen wie in der kolonialen Geschichte, in der auch nur die eigenen Interessen verfolgt wurden.

Die entscheidende Frage für mich ist, ob die stark gebeutelte Bevölkerung in den afrikanischen Staaten eine Chance auf Verbesserung ihrer Lebenssituation hat. Das fürchterlichste Beispiel für katastrophales Management bei Rohstoffeinnahmen ist zur Zeit Nigeria. Zu einem dramatischen Zeitpunkt, nämlich kurz vor den Wahlen, bricht das ohnehin schwache Wirtschaftsleben zusammen, weil die Eliten und die Unternehmen sich schamlos bereichert haben und selbst ein gut meinender Präsident wenig gegen Korruption ausrichten konnte. Es fehlt hinten und vorne an Energie in einem Land, das inzwischen zum achtgrößten Öl- und Gaslieferanten der Welt aufgestiegen ist. Es fehlt an staatlichen Strukturen und an Verantwortungsbewußtsein. Ich fürchte, daß die Schockwellen, die vom Zusammenbruch Nigerias ausgehen könnten, weitreichende Folgen haben können. Da reicht es nicht mehr aus, wenn die Bundesregierung sich darauf besinnt, daß eine Rohstoffstrategie (>>> Merkels neue Rohstoffstrategie) Sinn machen könnte, da müssen auch die Unternehmen, die den G8-Staaten Rohstoffe liefern, an die Kandare genommen werden. Shell hat sich viel zu lange darauf ausgeruht, daß es genügt, Gelder weiterzuleiten, egal wohin sie verschwinden, und hat viel zu wenig dafür getan, vor Ort im Niger-Delta beim Aufbau tatsächlich funktionierender Strukturen zu helfen.

Wir müssen uns hier in Europa allerdings fragen, ob wir nicht allzu schweigsam die katastrophalen Bedingungen der Öl- und Gasförderung akzeptiert haben, um von billigen Preisen zu profitieren. Ähnliches wie in Nigeria passiert doch auch in Rußland und in den Staaten Zentralasiens. Die Frage des Zugangs zu Energie und Rohstoffen wird entscheidend für die Zukunft sein. Wir können all die schönen Träume von der Umsetzung der Millenium-Entwicklungsziele vergessen, wenn es nicht gelingt, massiv in Erneuerbare Energien zu investieren und das noch vorhandene Geld in diese Zukunftsfelder zu lenken. Daß Atomkraft nur bedeutet, vom Regen in die Traufe zu kommen, unterstreiche ich. Deswegen fordere ich die Bundesregierung auf, auf dem Gipfel den Aufbruch in das Erneuerbare Energien-Zeitalter zu organisieren und Investitionen für Erneuerbare Energien in Afrika zu forcieren.

Ute Koczy ist entwicklungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag.

Montag, 16. April 2007

Aktionskonferenz: Gipfelprotest als frohe Botschaft

Im pathetischen Stil religiöser Verheißungen ist die Abschlußerklärung verfaßt, die die Rostocker Aktionskonferenz, die letzte vor dem kommenden G8-Gipfel in Heiligendamm, am vergangenen Wochenende verabschiedete. So heißt es dort:

„Während ihre Zeit (d.h. die Zeit der G8; d.Red.) abläuft, fängt unsere gerade erst an. Unsere Dialoge dienen der Verständigung über die nächsten Schritte, unsere nächsten Schritte, die nächsten Schritte einer kommenden Demokratie („Dein Reich komme“; d.Red.). Einer Demokratie, der wir in Heiligendamm eine erste Ankunft bereiten („Dein Wille geschehe“; d.Red.). Und während die G8 sich vor der Welt abschirmen, vor der Welt verschanzen, öffnen wir uns der Welt („wie im Himmel, so auf Erden“; d.Red.).

Deshalb ist diese Erklärung eine Abschiedserklärung und eine Einladung. Eine Abschiedserklärung an die G8: „Geht! Ihr seid nicht willkommen!“ („Und erlöset uns von dem Bösen!“) Eine Einladung an alle, die sagen: „Ya basta! Es reicht! Eine andere Welt ist möglich!“ Eine Welt der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit, der gleichen Rechte aller, des Friedens. Heiligendamm wird ein Anfang sein. Unser Anfang.“

Wie die diversen Fraktionen der Alternativszene am Wochenende ganz lieb zueinander waren und dennoch dabei gescheitert sind, die lokale Bevölkerung in die Proteste einzubinden, läßt sich in der taz von heute nachlesen. Das Photo zeigt den Fahrrad-Widerstands-Wimpel von Attac.

Samstag, 14. April 2007

Global Monitoring Report 2007: Zweifel an G8-Versprechen verstärkt

Erneut hat eine autoritative Quelle die Zweifel daran verstärkt, daß die G8 die in Gleneagles vor zwei Jahren gegebenen Versprechen einhalten werden, die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) für Afrika bis 2010 zu verdoppeln. Wie der gestern veröffentlichte Global Monitoring Report 2007 von IWF und Weltbank über die Umsetzung der UN-Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) schreibt, bleibt vor allem die Verwirklichung der MDGs, die sich auf die Verringerung der Kindersterblichkeit, den Kampf gegen Massenkrankheiten und die Herstellung ökologischer Nachhaltigkeit richten, hinter den Erwartungen zurück. Der Report zitiert auch die jüngsten Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (ODA), wonach die ODA von 2005 bis 2006 von 106,8 Mrd. auf 103,9 Mrd. US-Dollar gefallen ist (>>> Schwere Hypothek für den Gipfel).

Der diesjährige Monitoring-Bericht untersucht jeweils die Anstrengungen der Entwicklungsländer, der Industrieländer und der Internationalen Finanzinstitutionen zur Umsetzung der MDGs. Besonders behandelt wird die MDG-Umsetzung in puncto Geschlechtergleichheit und in fragilen Staaten. Beiden Problemen müsse mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. „2006 konnten die meisten Entwicklungsländer wenig oder keinen Zuwachs ihrer realen ODA-Zuflüsse verzeichnen,“ erklärte Mark Sundberg, der Hauptautor des Reports. „Das muß sich schnell ändern, wenn die Geber bis 2010 pro Jahr 50 Mrd. US-Dollar zusätzlicher Hilfe (gegenüber 2004) zur Verfügung stellen wollen.“

Freitag, 13. April 2007

Entwurf der G8-Deklaration für Heiligendamm durchgesickert: Eine Agenda gegen den Süden

Erstmals im diesjährigen Vorbereitungsprozeß des G8-Gipfels wurde heute morgen der interne Entwurf einer Deklaration für den kommenden G8-Gipfel in Heiligendamm enthüllt. Die in Washington ansässige NGO Oil Change International veröffentlichte den 21-seitgen Text auf ihrer Homepage. Das Dokument steht unter der Überschrift „Wachstum und Verantwortung in der Weltwirtschaft“ und umfaßt offensichtlich den wirtschaftspolitischen Teil der geplanten Gipfeldokumente. Zur Umsetzung der Verpflichtungen des G8-Gipfels von Gleneagles und zur Afrikapolitik, die als zweiter Schwerpunkt der deutschen G8-Agenda angekündigt worden war, findet sich nichts. Die einzelnen Kapitel behandeln die Themen globale Ungleichgewichte, internationale Investitionen, Innovationsschutz, Klimawandel und Energieeffizienz sowie Rohstoffsicherung und Transparenz.

Vor allem die Kapitel über „Investitionsfreiheit, Investitionsumfeld und soziale Verantwortung“ und „Förderung von Innovation – Schutz von Innovation“ belegen, daß die Bundesregierung den Gipfel zur Durchsetzung einer anti-südlichen Agenda nutzen will. So will sie vor allem in den Schwellenländern gegen den angeblich grassierenden „neuen Investitionsprotektionismus“ zu Felde ziehen und die patentrechtlichen Instrumente gegen die Nachahmung von Produkten weiter stärken. Sowohl die politische Steuerung ausländischer Investitionen (was deren Ungleichbehandlung einschließen kann) als auch die Nachahmung von Produkten und Produktionsprozessen waren jedoch schon immer Entwicklungsfaktoren erster Ordnung. Eine ausführliche Analyse des Dokuments findet sich demnächst auf der W&E-Website (>>> Merkels Anti-Süd-Agenda).

Gastkommentar: Die Club-Hegemonie der G8 ist ein welthistorisches Auslaufmodell

Von Franz Nuscheler

Im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm tauchen in Kampagnen und Pamphleten seiner Kritiker aus aller Welt allerhand deftige Parolen auf. Da ist wieder die Rede von der „Ersatz-Weltregierung ohne Legitimation“, von einer „Club-Hegemonie“ oder gar von einer „G8-ization“ der Welt. Dieser Club der acht mehr oder weniger gewichtigen global players sitzt zwar (noch) an den Schalthebeln der Weltwirtschaft, aber er bildet keine „Ersatz-Weltregierung“, weil er über keine weltweite Durchsetzungskraft verfügt. Bei der G8 mag es sich um eine zwar machtgestützte Club-Governance handeln, die aber mit keinerlei verbindlichen Entscheidungskompetenzen ausgestattet ist. Das akademische Reflektieren über eine „Club-Hegemonie“ stößt schnell an Grenzen, weil eine solche nicht nur mit dem – obgleich brüchigen – US-amerikanischen Anspruch des hegemonialen Unilateralismus, sondern inzwischen auch mit dem Machtanspruch in Asien kollidiert. Auch die IBSA-Gruppe aus Brasilien, Südafrika und Indien demonstrierte in den WTO-Verhandlungsrunden eine wirkungsvolle Gegenmacht.

Die real existierende G8 ist nicht nur mit großen globalen Herausforderungen, sondern auch mit tief und weit reichenden Machtverschiebungen im internationalen System konfrontiert. Die angebliche „Ersatz-Weltregierung“ kann die Welt nicht regieren und wird dies in Zukunft ohne Beteiligung regionaler Führungsmächte noch weniger tun können. Diese werden sich ihre Beteiligungsansprüche auch nicht durch die Einbindung in die von der G8 gesteuerte G20 abkaufen lassen.

Die G8 ist nicht mehr in der Lage, die Verschiebung der weltpolitischen Gravitationszentren zu steuern. Wenn es überhaupt jemals eine Club-Hegemonie der G7/G8 gegeben haben sollte, die an die Stelle der schwächelnden US-Hegemonie trat, dann ist auch diese Hegemonie, wie pompös sie sich auch wieder zu hohen Kosten in Heiligendamm inszenieren mag, ein welthistorisches Auslaufmodell. Die durch das Andocken Russlands erweiterte „OECD-Welt“ bildet nicht mehr den Nabel der Weltgeschichte. Das alte Zentrum-Peripherie-Modell ist überholt.

Prof. Dr. Franz Nuscheler war bis zu seiner Emeritierung Direktor des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) an der Uni Duisburg.

Donnerstag, 12. April 2007

Der BUKO sei Dank: Tot Geglaubte leben länger

Einige, die das G8-Positionspapier „Glaubwürdigkeit der Mächtigen auf dem Prüfstand“ nicht gerade für einen der gelungeneren Würfe in der Geschichte der NGO-Gemeinde hielten (>>> Deutsche NGOs: TÜV für die Mächtigen), mögen gehofft haben, die Mischung aus handzahmer Prosa, handfesten Forderungen und Banalität würde möglichst schnell wieder in Vergessenheit geraten. Doch nun hat sich die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO; früher: Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen) auf ihrem Jahrestreffen am letzten Wochenende in Leipzig der Sache angenommen und in einer Resolution (>>> Glaubwürdigkeit von NGOs auf dem Prüfstand) die politische Perspektive und die Inhalte des Papiers kritisiert. Es kündige einen Konsens auf, der bis dato in der Mobilisierung nach Heiligendamm von einem breiten Bündnis getragen worden sei, nämlich die G8 zu delegitimieren anstatt Forderungen - von A wie Afrika bis Z wie Zollpolitik - an sie zu stellen.

Die Ausrichtung des Papiers sei ein politischer Rückschritt, heißt es. Die notwendigen tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen könnten nicht allein mit "guten Argumenten" erreicht werden, die Anrufung staatlicher Akteure habe sich als erfolglos erwiesen. In dem Papier werde der Eindruck erweckt, als könnten und müßten Regierungen überzeugt werden, die Welt zum Besseren zu verändern. Regierungen und die G8 würden damit als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems dargestellt. Die politischen und ökonomischen Mechanismen der Weltordnung, die von den Regierungen abgesichert und vorangetrieben werden, kämen in dem Papier nicht vor. Statt Machtkonzentration und die zugrunde liegenden Herrschaftsverhältnisse zu kritisieren, würden sie durch die Forderungen bestätigt. Deshalb fielen die über 40 unterzeichnenden NGOs hinter die Kritik und Reflexion ihrer eigenen Rolle in den 90er Jahren zurück.

Letzteres mag durchaus der Fall sein. Aber einen Konsens aufkündigen kann man nur, wenn es einen gibt. Und hier unterliegen die BUKO-Resolutionäre den gleichen Fehlwahrnehmungen wie andere Akteure in der Vorbereitung auf Heiligendamm, die mein(t)en, notwendigen Debatten und Kontroversen durch Formelkompromisse, Leerformeln, verbale Kraftakte oder einfach nur durch ein herziges „Wir haben uns alle lieb“ aus dem Weg gehen zu können.

Mittwoch, 11. April 2007

Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington: Provinziell niedriges Profil

Dem Vernehmen nach hat es Bundesfinanzminister Peer Steinbrück abgelehnt, den Vorsitz des IWF-Wirtschafts- und Finanzausschusses (IMFC) zu übernehmen, und wird auch wegen eines Familienurlaubs in Namibia nicht am Treffen der G7-Finanzminister am Rande der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank am kommenden Wochenende in Washington teilnehmen. So viel provinzielles Desinteresse teilen wir nicht. Unsere soeben erschienene Hintergrundausgabe (s. Abbildung und >>> W&E-Hintergrund April 2007) befaßt sich mit aktuell diskutierten Reformansätzen für den IWF, die auch auf der Frühjahrstagung eine Rolle spielen. Rainer Falk skizziert die im Vorfeld des Treffens vorgelegten Berichte zur künftigen Finanzierung des IWF und zur Rolle des Fonds in Afrika. Peter Chowla, Jeffrey Oatham und Claire Wren zeigen, wie unzureichend die bisherigen Vorschläge für eine demokratische Reform der Governance-Strukturen des Fonds sind und schlagen statt Quotenreform und Aufstockung von Basisstimmrechten ein System der doppelten Mehrheit vor. Hetty Kovach und Sébastian Fourmy schließlich bilanzieren die noch immer nicht vollendete Reform der Konditionalität der Bretton-Woods-Zwillinge.

Kein Zweifel, selten war der Zeitpunkt so günstig, um eine weitreichende Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf den Weg zu bringen und durchzusetzen. Die einzige Alternative hierzu wäre, den Fonds im Alter von jetzt 63 Jahren in Rente zu schicken. Eine Schlüsselrolle für den Reformprozeß spielt der IMFC, dem bislang der britische Finanzminister Gordon Brown vorsaß. Er wäre auch ein wichtiges Forum für deutsche Reforminitiativen. Aber in Bezug auf die Ebene der internationalen Finanzpolitik bevorzugten die in Berlin und davor in Bonn regierenden deutschen Nationalökonomen schon immer ein niedriges Profil. Daran dürfte auch der Glamour der gegenwärtigen Doppelpräsidentschaft wenig ändern.

Dienstag, 10. April 2007

Gastkommentar: Wachstum muß auch bei den Armen ankommen

Von Claudia Warning

Erstaunt liest man in der G8-Agenda der Bundesregierung, daß die Beschlüsse von Gleneagles zur Steigerung der ODA Meilensteine waren und umgesetzt werden. Allein wie das passiert, bleibt offen. Nach wie vor ist unklar wie und mit welchem Fahrplan die Bundesregierung die erheblichen notwendigen Steigerungen der ODA erreichen will. Stattdessen setzt sie auf den kontinuierlichen Ausbau des Privatsektors für afrikanische und internationale Investoren.

Daß wirtschaftliche Entwicklung ein wichtiger Teil von Entwicklung darstellt, mag niemand bezweifeln. Doch der erwartete „Trickle-down-Effekt“, auf den die Bundesregierung offensichtlich setzt, tritt sehr häufig nicht ein. Makroökonomisches Wachstum kommt - durch ungleiche Verteilungsstrukturen - bei einem großen Teil der Bevölkerung nicht an und verändert ihre Lebensbedingungen kaum, wie das Beispiel Südafrika zeigt. Hier postuliert die Agenda zwar sozial gerechte Verteilung, wie die G8 aber selber daran mitwirken können und welche Rolle die ODA dabei spielt, bleibt offen.

Ein Schwerpunkt der Afrika-Politik sollte daher auf verteilungsgerechtem Wachstum, dem sog. ProPoor Growth, liegen. In einem ersten Schritt würde dies bedeuten, vor allem jene Wirtschaftsbereiche zu fördern, in denen gerade arme Bevölkerungsschichten zusätzlich Beschäftigung finden können. Eine solche armutsorientierte Entwicklung sollte vor allem die Sicherung der Ernährungssouveränität und des Zugangs zu Ressourcen für die Armen umfassen. Auch die Förderung der Bildung – nicht nur der primären, sondern auch der sekundären, akademischen und beruflichen Bildung ist in dieser Hinsicht von zentraler Bedeutung.

Gleichzeitig sollten verbindliche Vereinbarungen hinsichtlich einer gerechten Einbindung der afrikanischen Länder in die Weltwirtschaft getroffen werden. Hier müssen die G8 Verantwortung übernehmen und den afrikanischen Ländern beispielsweise bei den Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) und im Rahmen des Cotonou-Abkommens über neue Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) Spielräume gewähren. Die Länder des Nordens müssen die Exportsubventionen und diejenigen Agrarsubventionen streichen, die zu Dumping führen und die Wettbewerbsfähigkeit afrikanischer Kleinbauern zerstören und auf Abkommen zu Investitionen, Wettbewerbspolitik und öffentliche Beschaffung verzichten.

Dr. Claudia Warning ist Vorsitzende des Verbands Entwicklungspolitik deutscher NGOs (VENRO) und des Evangelischen Entwiclungsdienstes (EED).

Montag, 9. April 2007

Die G8 im Schatten privater Philanthropen?

Reiche Privatspender hätten das Zeug, die G8 beim Kampf gegen die Armut in Afrika in den Schatten zu stellen, meint der Sonderberater des UN-Generalsekretärs, der Columbia-Professor und Leiter des Earth Institute, Jeffrey Sachs. Dabei denkt er nicht nur an den Microsoft-Gründer Bill Gates und den internationalen Investor Warren Buffet. „Es gibt 950 Milliardäre, deren Reichtum auf 3,5 Billionen US-Dollar geschätzt wird,“ so rechnete Sachs gegenüber der Financial Times vor. „Eine jährliche Auszahlung von 5% aus einer entsprechenden Stiftung würde 175 Mrd. US-Dollar pro Jahr bringen – das würde reichen. Dann brauchten wir also nicht die G8, sondern die 950 Leute auf der Forbes-Liste“, raisonnierte Sachs.

Mit dem gar nicht so abwegigen Vergleich – schon heute übertrifft die Bill and Melinda Gates Foundation die jährlichen ODA-Leistungen so manches Geberlandes – reagierte Sachs auf den jüngsten OECD-Bericht von letzter Woche, nach dem die ODA-Leistungen 2006 stagnierten, obwohl die G8 ein Jahr zuvor in Gleneagles versprochen hatten, bis 2010 jedes Jahr 50 Mrd. Dollar mehr an Entwicklungshilfe aufzubringen, davon die Hälfte für Afrika.

Mittwoch, 4. April 2007

Kampf gegen HIV/AIDS: Afrikas Frauen appellieren an Merkel

Im Vorfeld des Weltgesundheitstags am 7. April hat Inviolata Mmbwavi (s. Photo), die seit 15 Jahren mit HIV lebt, eine persönliche Video-Botschaft an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschickt. Darin fordert die Kenianerin die Bundeskanzlerin auf, während ihrer G8-Präsidentschaft dafür zu sorgen, daß die Verpflichtung, einen universellen Zugang zur Behandlung von HIV/AIDS zu gewährleisten, eingehalten wird. „Kanzlerin Merkel,“ sagt Mmbwavi, „die afrikanischen Frauen rechnen mit Ihnen – bitte stellen Sie sicher, daß die G8-Führer genügend Finanzmittel für den Kampf gegen HIV und AIDS zur Verfügung stellen. Inviolata Mmbwavi koordiniert das National Empowerment Network of People Living with HIV/AIDS in Kenya (NEPHAK) und arbeitet eng mit dem internationalen Netzwerk ActionAid zusammen.

ActionAid führt eine Kampagne im Vorfeld des G8-Gipfels, um einen Finanzierungsplan durchzusetzen, der zusätzliche, vorhersehbare und nachhaltige Mittel für den globalen Kampf gegen die Pandemie bereitstellen soll. Gegenwärtig fehlen dafür 8-10 Mrd. US-Dollar pro Jahr. In einem parallel veröffentlichten Offenen Brief an Merkel wird die Kanzlerin aufgefordert, ihre Führungsrolle dadurch unter Beweis zu stellen, daß das Treffen in Heiligendamm Reformen in puncto Patentschutz und intellektuelles Eigentum beschließt (>>> W&E 01/2007), die einen universellen Zugang zu preiswerten Medikamenten sicherstellen. In dem Video-Appell an Merkel, der hier gehört und angesehen werden kann, sagt Mmbwavi: „Wir sind es leid, Versprechen zu hören, die nie eingehalten werden. HIV muß bekämpft werden, damit Afrika sich entwickeln kann. Jede Anstrengung, die Wirtschaft voranzubringen, ohne HIV und AIDS zurückzukampfen, wird ein Luftschloß bleiben.“

Dienstag, 3. April 2007

Gastkommentar: Schwere Hypothek für den Gipfel

Von Reinhard Hermle

Gerade hat die OECD die Zahlen der Entwicklungshilfeleistungen für 2006 bekannt gegeben. Das Ergebnis ist niederschmetternd. Zum ersten Mal seit neun Jahren geht der Trend wieder abwärts. Minus 5,1% liegen zwischen den Ergebnissen für 2005 und 2006. Von den 22 OECD-Staaten weisen 10 zum Teil beträchtliche Rückschritte auf, darunter wichtige G8-Länder wie die USA, Japan und Kanada. Das bedeutet eine schwere Hypothek für den kommenden Gipfel in Heiligendamm. Die deutsche Bilanz zeigt leicht nach oben und hat die Summe von 10,3 Mrd. US-Dollar erreicht. Dies entspricht aber nach wie vor nur 0,36% des Bruttonationaleinkommens (BNE). Damit hat die Bundesregierung zwar die Zusage von Monterrey erfüllt, bis 2006 0,33% des BNE zu erreichen - wie weitere 16 OECD-Staaten auch. Sie ist aber immer noch weit von den Zusagen des G8-Gipfels in Gleneagles entfernt, die Hilfe bis 2010 auf 0,51% des BNE aufzustocken, was einer Summe von etwa 16 Mrd. US-Dollar entspräche, und bis 2015 0,7% zu erreichen.

Problematisch ist zudem, daß die Zahlen real weniger bedeuten als sie suggerieren. Bekanntlich fließen auch die Schuldenerlasse für Entwicklungsländer in die ODA-Zahlen mit ein und treiben sie in die Höhe. In Deutschland liegt der entsprechende Anteil mit 2,7 Mrd. US-Dollar im Jahr 2006 zwar etwas unter dem Anteil von 2005, macht aber immer noch rund ein Viertel der deutschen ODA-Leistungen aus. Dies lag vor allem an den Erlassen für den Irak und Nigeria. Besondere armutsmindernde Effekte waren damit nicht verbunden, wie dies das Irak-Beispiel besonders nachdrücklich belegt. Die Streichung der Irakschulden erfolgte aus politischen Gründen und bereinigte die Bücher – mehr nicht.

Deshalb ist es eine gute Nachricht, daß die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland ohne den Schuldenerlaß 2006 im Vergleich zum Vorjahr um 13% gestiegen sind. Offen bleibt, wie die Bundesregierung nach dem Ende der außerordentlichen Irak-Nigeria-Erlaßblase in 2008 die zu erwartenden scharfen Rückgänge der ODA-Quote auffangen bzw. die Quote steigern will. In der Debatte über neue Finanzierungsquellen ist bedenkliche Funkstille eingetreten. Letztlich wird es vor allem darauf ankommen, massiv höhere Haushaltsmittel bereit zu stellen. Ob die Bundesregierung die Kraft hat, dies zu tun und somit auch Glaubwürdigkeit und Führungsstärke gegenüber den übrigen G8-Regierungen zu zeigen, wird sich bald erweisen.

Einer repräsentativen Oxfam-Meinungsumfrage vom März dieses Jahres zufolge halten es 71% der Deutschen für wichtig, daß Deutschland sein Versprechen hält und bis zum Jahr 2015 die deutsche Entwicklungshilfe verdoppelt.

Daß bei aller Bedeutung der quantitativen Seite der Entwicklungspolitik nicht die qualitative Frage aus dem Blick geraten darf, was mit dem Geld gemacht wird, versteht sich von selbst.

Dr. Reinhard Hermle ist entwicklungspolitischer Berater von Oxfam Deutschland. Davor war er Leiter der Grundsatzabteilung von Misereor und Vorsitzender des Verbands Entwicklungspolitik deutscher NGOs (VENRO).

Montag, 2. April 2007

Oxfam-Umfrage: Mehrheit der Deutschen für Verdoppelung der Entwicklungshilfe

Für 71% der Deutschen ist es wichtig, daß die Bundesregierung ihre Versprechen gegenüber den Entwicklungsländern einhält und bis zum Jahr 2015 die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) verdoppelt. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Meinungsumfrage, die Oxfam Deutschland in Auftrag gegeben und heute vorgestellt hat. Einen Tag vor der Veröffentlichung der neuesten Entwicklungshilfezahlen durch die OECD, die voraussichtlich eine Verschlechterung der deutschen ODA-Quote im Jahr 2006 feststellen wird, sieht Oxfam in diesem Ergebnis vor allem ein Signal an die Bundesregierung. Diese sollte möglichst schnell „eine konkrete Planung vorlegen, wie sie ihre finanziellen Zusagen in den kommenden Jahren einlösen will“, so Reinhard Hermle, der ehemalige Sprecher des Dachverbands deutscher Entwicklungsorganisationen VENRO und jetzige entwicklungspolitische Berater von Oxfam Deutschland.

Der Umfrage zufolge, die das TNS Emnid-Institut durchführte, halten 82% der Befragten die Armut in Entwicklungsländern für ein wichtiges oder sehr wichtiges Thema. Sie verweist darüber hinaus auf ein beträchtliches Mobilisierungspotential unter den Bundesbürgern. So würden 72% eine Petition an die Regierung unterschreiben, mehr gegen die weltweite Armut zu tun, 53% würden ein Hilfsorganisation unterstützen, und 30% würden gegebenenfalls auch an einer Demonstration für mehr und bessere Entwicklungshilfe teilnehmen.

Nach Vorabinformationen in der Printausgabe der heutigen Financial Times wird die OECD morgen sagen, daß die Europäische Union und ihre Mitgliedsländer ihre ODA stark anheben müssen, wenn sie ihre Hilfszusagen einhalten wollen. 2006 stieg die EU-ODA zwar stark an, aber ein Viertel dieser Zunahme geht auf die Anrechnung einmaliger Schuldenstreichungen für Irak und Nigeria zurück. Vier EU-Mitgliedsländer gaben 2006 sogar weniger als 2005, wenn man die Schuldenstreichungen herausrechnet.