Dienstag, 3. April 2007

Gastkommentar: Schwere Hypothek für den Gipfel

Von Reinhard Hermle

Gerade hat die OECD die Zahlen der Entwicklungshilfeleistungen für 2006 bekannt gegeben. Das Ergebnis ist niederschmetternd. Zum ersten Mal seit neun Jahren geht der Trend wieder abwärts. Minus 5,1% liegen zwischen den Ergebnissen für 2005 und 2006. Von den 22 OECD-Staaten weisen 10 zum Teil beträchtliche Rückschritte auf, darunter wichtige G8-Länder wie die USA, Japan und Kanada. Das bedeutet eine schwere Hypothek für den kommenden Gipfel in Heiligendamm. Die deutsche Bilanz zeigt leicht nach oben und hat die Summe von 10,3 Mrd. US-Dollar erreicht. Dies entspricht aber nach wie vor nur 0,36% des Bruttonationaleinkommens (BNE). Damit hat die Bundesregierung zwar die Zusage von Monterrey erfüllt, bis 2006 0,33% des BNE zu erreichen - wie weitere 16 OECD-Staaten auch. Sie ist aber immer noch weit von den Zusagen des G8-Gipfels in Gleneagles entfernt, die Hilfe bis 2010 auf 0,51% des BNE aufzustocken, was einer Summe von etwa 16 Mrd. US-Dollar entspräche, und bis 2015 0,7% zu erreichen.

Problematisch ist zudem, daß die Zahlen real weniger bedeuten als sie suggerieren. Bekanntlich fließen auch die Schuldenerlasse für Entwicklungsländer in die ODA-Zahlen mit ein und treiben sie in die Höhe. In Deutschland liegt der entsprechende Anteil mit 2,7 Mrd. US-Dollar im Jahr 2006 zwar etwas unter dem Anteil von 2005, macht aber immer noch rund ein Viertel der deutschen ODA-Leistungen aus. Dies lag vor allem an den Erlassen für den Irak und Nigeria. Besondere armutsmindernde Effekte waren damit nicht verbunden, wie dies das Irak-Beispiel besonders nachdrücklich belegt. Die Streichung der Irakschulden erfolgte aus politischen Gründen und bereinigte die Bücher – mehr nicht.

Deshalb ist es eine gute Nachricht, daß die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland ohne den Schuldenerlaß 2006 im Vergleich zum Vorjahr um 13% gestiegen sind. Offen bleibt, wie die Bundesregierung nach dem Ende der außerordentlichen Irak-Nigeria-Erlaßblase in 2008 die zu erwartenden scharfen Rückgänge der ODA-Quote auffangen bzw. die Quote steigern will. In der Debatte über neue Finanzierungsquellen ist bedenkliche Funkstille eingetreten. Letztlich wird es vor allem darauf ankommen, massiv höhere Haushaltsmittel bereit zu stellen. Ob die Bundesregierung die Kraft hat, dies zu tun und somit auch Glaubwürdigkeit und Führungsstärke gegenüber den übrigen G8-Regierungen zu zeigen, wird sich bald erweisen.

Einer repräsentativen Oxfam-Meinungsumfrage vom März dieses Jahres zufolge halten es 71% der Deutschen für wichtig, daß Deutschland sein Versprechen hält und bis zum Jahr 2015 die deutsche Entwicklungshilfe verdoppelt.

Daß bei aller Bedeutung der quantitativen Seite der Entwicklungspolitik nicht die qualitative Frage aus dem Blick geraten darf, was mit dem Geld gemacht wird, versteht sich von selbst.

Dr. Reinhard Hermle ist entwicklungspolitischer Berater von Oxfam Deutschland. Davor war er Leiter der Grundsatzabteilung von Misereor und Vorsitzender des Verbands Entwicklungspolitik deutscher NGOs (VENRO).

1 Kommentar:

EZ Westafrika Blogger hat gesagt…

Immerhin schreiben Sie zum Schluss:

"Daß bei aller Bedeutung der quantitativen Seite der Entwicklungspolitik nicht die qualitative Frage aus dem Blick geraten darf, was mit dem Geld gemacht wird, versteht sich von selbst."

In Ihrem Kommentar spielt das aber offensichtlich keine Rolle?

Klaus D. Loetzer
ezwestafrika.blogspot.com