Freitag, 30. März 2007

NGOs zu Halbzeitbilanz EU- und G8-Präsidentschaft: Zwischen Kritik und Sonnenschein

Vertreter von deutschen NGOs sind heute in Berlin mit Bundesentwicklungsministerin Wieczorek-Zeul zusammengetroffen (siehe Photo; 2.v.l.). Zur Halbzeit der EU-Ratspräsidentschaft und vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm haben sie Bilanz gezogen und ihre Erwartungen an die deutsche Doppelpräsidentschaft formuliert. Die Vorsitzende des Verbands Entwicklungspolitik VENRO, Claudia Warning (2.v.r.), begrüßte zwar, daß sich auch Vertreter der EU und der afrikanischen, karibischen und pazifischen AKP-Staaten bei ihrem Treffen am 13. März auf dem Petersberg darauf verständigt hatten, daß die geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) der Entwicklung der AKP-Staaten dienen müssen. Zugleich äußerte sie jedoch ihre Besorgnis, daß die EPAs schon bis zum Jahresende abgeschlossen werden sollen: „Unsere zivilgesellschaftlichen Partner aus Afrika warnen vor überhasteten Abschlüssen.“ So gebe es keine verläßlichen Folgeabschätzungen zu den geplanten EPAs. Vor allem die zahlreichen Kleinproduzenten aus Landwirtschaft und Gewerbe sind nicht in der Lage, mit EU-Produzenten zu konkurrieren“, so Warning weiter. Die VENRO-Vorsitzende forderte, die Themen Investitionen, Wettbewerbspolitik und öffentliches Beschaffungswesen bei den Verhandlungen auszuklammern, damit die EPAs nicht entwicklungshemmend wirkten.

Jürgen Maier (r.) vom Forum Umwelt und Entwicklung bezeichnete die Energie- und Klimabeschlüsse des EU-Frühjahrsgipfels als ermutigend und forderte einen globalen Deal für nachhaltige Energie und Klimaschutz zwischen Industrie- und Schwellenländern. Als Vertreter der europäischen NGO-Dachorganisation CONCORD begrüßte Kurt Bangert (l.), daß die Bundesregierung ihren jährlich Beitrag zum Kampf gegen HIV/AIDS von 300 auf 400 Mio. € aufstocken wolle, meinte aber, daß dies noch weit unterhalb dessen liege, was für eine wirksame und nachhaltige Bekämpfung der Pandemie nötig sei. Bangert forderte die Bundesregierung auf, gesonderte Budgetposten für die 15 Millionen durch AIDS verwaisten und gefährdeten Kinder einzuplanen. Er verlangte, daß die Geberstaaten endlich ihre gemachten Versprechen einlösen müßten. Die europäischen NGOs seien immer wieder bestürzt und enttäuscht über den Mangel an politischem Willen, über die Diskrepanz zwischen Versprechungen und ihrer Einlösung und über die mangelnde Verfolgung gemachter Zusagen.

Wieczorek-Zeul dagegen versicherte den NGOs, daß die Bundesregierung mit Nachdruck daran arbeite, den G8-Gipfel in Heiligendamm zu einem Symbol der Verantwortung werden zu lassen - so die Pressemitteilung des BMZ.

Vor dem G8-Gipfel: Neue Spekulationen über Ticket-Abgabe und Kerosin-Steuer

Neue Nahrung erhielten gestern auf einer Fachtagung des Global Policy Forum Europe in Berlin die Spekulationen darüber, ob die Bundesregierung möglicherweise doch noch vor oder im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Heiligendamm eine Initiative zur Einführung der Solidaritätsabgabe auf Flugtickets und/oder der von Heidemarie Wieczorek-Zeul ins Gespräch gebrachten Kerosin-Steuer ergreifen könnte. Während vier Länder, darunter an erster Stelle Frankreich, die Ticket-Abgabe schon eingeführt haben, könnten die Einnahmen aus einer Kerosin-Steuer dazu verwendet werden, um Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in Afrika zu finanzieren.

„Kommt da noch etwas vor dem G8-Gipfel?“, fragte der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ), Thilo Hoppe, auf der Veranstaltung, während Mario Sander von Torklus vom BMZ meinte, von der deutschen Entwicklungspolitik sei einiges zu erwarten, allerdings keine Wunder. Die Fachtagung mit dem Titel „Die öffentliche Armut der Entwicklungsländer“ fragte im letzten Teil nach den Konsequenzen für die deutsche Entwicklungspolitik. Hoppe sagte, es gäbe für ihn keinen Widerspruch zwischen der Mobilisierung interner Ressourcen in den Entwicklungsländern, etwa indem die Technische Zusammenarbeit zu mehr Effizienz der lokalen Steuersysteme beitrage, und der notwendigen Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA). Hoppe kritisierte aber, daß im Prozeß der deutschen G8-Vorbereitung viel von „Good Governance“ die Rede sei, „Good International Governance“ aber kaum vorkomme. So werde der Vorschlag des Kofi-Anan-Panels, die G8 im Rahmen des UN-Wirtschafts- und Sozialausschusses (ECOSOC) durch eine L27 („Leaders“) zu ersetzen, nicht einmal diskutiert (>>> W&E-Hintergrund November 2006).

Mit Blick auf den allgemeinen klimapolitischen Hype und mit Blick auf den absehbaren Einbruch der deutschen ODA-Leistungen (wenn kein Einstieg in neue Aufbringungsmechanismen erfolgt) sehen viele derzeit ein Zeitfenster, das gute Chancen bietet, die Bundesregierung doch noch zu positiven Beschlüssen über eine Ticket- und/oder Kerosin-Steuer zu bewegen. Die Frage ist: Wer gibt den Anstoß und wann kommt es dazu?

Donnerstag, 29. März 2007

Sachs: Die G8 sollte durch ihr eigenes Beispiel führen

Wenn es der Gruppe der 8 wirklich darum geht, die „neuen Geber“ aus dem Süden, wie China und Indien, zu einer qualitativ hochwertigen Entwicklungshilfe zu ermutigen, sollte sie mit gutem Beispiel vorangehen. Diese Meinung vertritt der Direktor des Earth Institute an der Columbia University, Jeffrey D. Sachs (s. Photo), in einem Leserbrief, der in der heutigen Ausgabe der Financial Times abgedruckt ist. In Reaktion auf das G8-Entwicklungsminisertreffen von Anfang dieser Woche in Berlin (>>> Streamlining G8) hält Sachs gleich mehrere Vorschläge bereit, was die G8-Regierungen tun können:

„Die G8 kann endlich das 37 Jahre alte Versprechen, 0,7% des Bruttosozialprodukts als Entwicklungshilfe bereit zu stellen, erfüllen. Die G8 kann endlich den afrikanischen Ländern einen jährlichen Zeitplan für die versprochene, doch unkalkulierbare Verdoppelung der Hilfe bis 2010‘ zur Verfügung stellen.
Die G8 kann endlich die 10 Millionen verarmten Kinder, die pro Jahr an vermeidbaren Krankheiten sterben, als dringenden Notfall ansehen, der angegangen werden muß, z.B. durch die massenhafte Verteilung von Mosquito-Netzen gegen Malaria, wobei deren flächendeckende Verteilung in Afrika weniger kosten würde, als das Pentagon an einem Tag ausgibt. Die G8 kann aufhören, die Hilfsstatistik durch dubioses Einrechnen von Schuldenerleichterungen zu frisieren. Die Mitglieder der G8 können aufhören, die Ausbildung von Militär als Hilfe zu verrechnen.
China und Indien werden in Afrika als Geber deshalb hoch geschätzt, weil sie ihren Job erledigen: den Bau von Straßen, die Anlage von Bewässerungssystemen, von Kraftwerken, Krankenhäusern und Kliniken. Das ist die Art praktischer Hilfe, bei der die G8 auf dem Weg der Umsetzung der Millennium-Entwicklungsziele vorangehen sollte.“

Mittwoch, 28. März 2007

Global Governance für Rohstoffe? Ein Memo für Heiligendamm

Mit einem international erstellten Memorandum über „Resource Governance in Afrika“ will die Heinrich-Böll-Stiftung im Vorfeld des G8-Gipfels punkten. Rechtzeitig zum Africa Partnership Forum im Mai in Berlin soll das Memo fertig sein. Grundlinien dafür wurden jetzt bei einem international besetzten, zweitägigen Symposium in Berlin debattiert. Mit der Initiative knüpft die Stiftung unmittelbar an die deutsche G8-Agenda an, in der für eine Stärkung von Transparenzinitiativen wie der EITI („Extractive Industries Transparency Initiative“) plädiert wird, zugleich aber starke Akzente einer neoimperialen Rohstoffsicherungspolitik deutlich werden (>>> Merkels neue Rohstoffstrategie).

Auf einer öffentlichen Auftaktveranstaltung begrüßte Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung die Zunahme freiwilliger Initiativen im Rohstoffbereich, wie beispielsweise das Netzwerk Publish What You Pay, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Regierungen der rohstoffproduzierenden Länder zur Veröffentlichung ihrer Einnahmen aus Schürfrechten und Exporten zu bewegen, um eine öffentliche Debatte über die Verwendung dieser Einnahmen zu ermöglichen. Patrick Alley von Global Witness verwies auf die traurige Tatsache, daß die Bevölkerung in vielen ressourcenreichen Ländern bitterarm geblieben sei. Sowohl Unmüßig als auch Alley sagten, bei aller Bedeutung von öffentlich-privaten Stakeholder-Initiativen sei eine internationale Übereinkunft über Standards für eine sozial und ökologisch gerechte Ressourcennutzung erforderlich. Die Politik dürfe sich nicht hinter den privat gesetzten Standards verstecken, so Unmüßig. Gerade für die Böll-Stiftung sei die Rahmensetzung durch eine ökologisch tragfähige und auf Armutsminderung ausgerichtete Wirtschaftspolitik unverzichtbar.

Peter Eigen, der Vorsitzende von EITI, nahm seine Initiative gegen diverse Versuche der Vereinnahmung durch Politiker in Schutz. So sei EITI keine Initiative von Tony Blair oder George Bush, sondern das Resultat einer eigenständigen Bewegung, in der die Anstrengungen der Zivilgesellschaft, staatlicher Akteure und des privaten Sektors zusammengeflossen seien. Diesen dreiseitigen Charakter gelte es auch künftig zu wahren. – Im weiteren Prozeß der Erstellung des Memorandums dürften noch viele Fragen zu klären sein, etwa diejenige eines mexikanischen Gastes, wie zentral das Problem der Transparenz im Rohstoffsektor für eine alternative Wirtschaftspolitik wirklich sei, wenn das Wirtschaftsmodell nicht geändert wäre und die Allokation der Einnahmen aus den Ressourcen weiterhin auf nicht-nachhaltige Weise erfolge.

Dienstag, 27. März 2007

Vom Dialog über die deutsche G8-Agenda oder: Streamlining G8

Politiker lieben es, die eigenen Inszenierungen als historische Ereignisse einzustufen. Da macht auch die deutsche Entwicklungsministerin, Heidemarie Wieczorek-Zeul, keine Ausnahme. Zum Abschluß des Treffens der G8-Entwicklungsminister am 26./27. März in Berlin, zu dem auch Vertreter der fünf sog. Outreach-Länder (O5: Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika) sowie diverse afrikanische Regionalorganisationen mit eingeladen waren, beschwor Wieczorek-Zeul die historische Einmaligkeit der Konstellation. Tatsächlich verstand es die deutsche G8-Präsidentschaft recht gut, das Treffen dazu zu nutzen, die übrigen G8-Mitglieder auf die deutsche G8-Agenda einzuschwören. Ein nach der Konferenz verteiltes Chair’s Summary listet an erster Stelle des „intensivierten Dialogs“ die beiden Themen auf, die auch auf der deutschen G8-Agenda ganz oben stehen: Investitionen in Afrika und Gesundheit, vor allem der Kampf gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria. Als neues Thema tritt jetzt - an dritter Stelle der Rangfolge - die Unterstützung Afrikas bei der Anpassung an den Klimawandel hinzu.

Während die Umsetzung der vor zwei Jahren in Gleneagles gegebenen Versprechen inzwischen fast schon routinemäßig bekräftigt wird, arbeitet die deutsche Präsidentschaft zielstrebig daran, den Akzent von der öffentlichen Hilfe auf die Betonung der Rolle des privaten Sektors zu verschieben. Bei näherer Betrachtung schälen sich mit Blick auf den Gipfel in Heiligendamm immer mehr zwei Kernprojekte heraus, die nach deutscher Vorstellung dort auf den Weg gebracht werden sollen: erstens die Aufstockung der Finanzmittel für den Globalen Fonds gegen HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria und zweitens die Schaffung eines neuen Fonds zur Finanzierung von Mikrokrediten für den privaten Sektor in Afrika. Dabei, so betonte die Ministerin, sei allerdings nicht an eine neue Institution gedacht, sondern an die Ausweitung der Tätigkeit von Weltbank und/oder der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB).

Was den Dialog mit den Schwellenländern betrifft, so kann die Bundesregierung allerdings nur schwer über einige „Schönheitsfehler“ hinwegtäuschen. Die „neuen Mächte“ aus dem Süden reagieren schon auf der diplomatischen Klaviatur sehr unterschiedlich auf die Einbindungsversuche aus dem Norden. Während Indien seinen Finanzminister (Palaniappan Chidambaram) nach Berlin schickte, ließ sich Peking durch einen Vertreter seiner Berliner Botschaft vertreten.

Besonders erpicht waren die G8-Minister auf die Diskussion der Rolle der Schwellenländer als „neue Geber“, vor allem in Afrika. Doch blieb es bei der Ermutigung der „aufstrebenden Geber zur Zusammenarbeit, um die Transparenz der Hilfe und die Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit im Einklang mit den Prinzipien der Pariser Erklärung zu erhöhen“. Doch da wäre wohl erst einmal die Frage zu beantworten, warum sich diese neuen Geber Prinzipien der OECD bzw. ihres Entwicklungshilfe-Ausschusses (DAC) unterwerfen sollten, an deren Ausarbeitung sie nicht beteiligt waren und auch in Zukunft wohl nicht beteiligen wollen. In diesem Punkt ist der Dialog entgegen den offiziellen Behauptungen des Ministeriums immer noch alles andere als innovativ.

Samstag, 24. März 2007

Versammlungs- und Meinungsfreiheit: Grundrechte gelten auch während des G8-Gipfels

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie beobachtet die Entwicklungen angesichts des kommenden G8-Gipfels mit Sorge. Nach Mitteilungen des Komitees wurde bereits im Juni 2006 das Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern novelliert, um präventive Eingriffsbefugnisse für die Polizei auszuweiten. Das sei zur Abwehr und Einschüchterung von Demonstrierenden geeignet, nicht aber zum Schutz der Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. "Versammlungen unter freiem Himmel" (Art. 8 GG) seien jedoch ein hohes demokratisches Gut, das insbesondere in repräsentativen Demokratien geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren (Brokdorf-Beschluß des BverfG), hieß es vergangene Woche in einer Pressemitteilung.

Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz hätten längst begonnen, vor dem Protest zu warnen, ihn zu kriminalisieren und somit von der Wahrnehmung der Grundrechte abzuschrecken. Der um Heiligendamm errichtete Zaun (siehe Photo), der diesen Ort zur demokratiefreien Zone mache, sei der erste Skandal. Versammlungen, so forderte das Komitee, müssen an den Orten stattfinden können, an denen sie die von ihnen gewünschte Öffentlichkeit erreichen können. Eine Politik, die dafür sorgt, daß Versammlungen polizeilich eingehegt und an den gewünschten Orten verboten werden, die die Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen - wie z.B. Camps - behindert und diejenigen, die den Protest tragen, kriminalisiert, gar polizeilich oder verfassungsschützerisch überwacht, die also strukturell gewaltförmig auf den bevorstehenden Protest reagiert, schade der Demokratie.

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie kündigte an, mit vielen Beobachtern und Beobachterinnen Anfang Juni 2007 die Proteste sowie das Verhalten von Polizei und Innenministerium rund um Heiligendamm und Rostock zu beobachten und darüber zu berichten.

Donnerstag, 22. März 2007

Entwicklungshilfe: Erneut Stufen- und Zeitplan angemahnt

Mit Anzeigen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und in der Financial Times Deutschland (FTD) erinnert „Deine Stimme gegen Armut“, der deutsche Zweig des „Global Call to Action Against Poverty“ (GCAP), die Bundeskanzlerin heute daran, daß Deutschland dazu beitragen wolle, die weltweite Armut bis 2015 zu halbieren (s. Abbildung). Hintergrund ist eine für morgen im Bundeskanzleramt angesetzte Vorbesprechung für den nächsten Bundeshaushalt, an der neben der Merkel Finanzminister Steinbrück, Wirtschaftsminister Glos und Vizekanzler Müntefering teilnehmen.

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat zwar Einzelinitiativen auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm angekündigt, etwa einen neuen Fonds für Mikrokredite in Afrika und mehr Geld für die Bekämpfung von HIV/AIDS. Bis heute wartet die interessierte Öffentlichkeit aber vergeblich auf einen verbindlichen und konkreten Zeit- und Stufenplan zur Anhebung des deutschen ODA-Niveaus auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens. Solche Pläne hatten zuletzt Peter Manning, der Vorsitzende des Entwicklungshilfeausschusses der OECD, und Jeffrey Sachs, der Leiter des Millenniumprojekts der Vereinten Nationen, in Berlin angemahnt.

Mittwoch, 21. März 2007

Angela Merkels neue Rohstoffstrategie

Rohstoffsicherheit, so der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, auf dessen 2. Rohstoffkongreß gestern in Berlin, heiße „nicht nur eine sichere Versorgung unserer Wirtschaft mit Öl und Gas, sondern auch mit metallischen Rohstoffen wie Kupfer, Zink, Nickel und Wolfram“. Rechtzeitig vor dem G8-Gipfel, auf dem das Thema „Energiesicherheit“ ganz oben rangiert, hat die Bundesregierung der deutschen Industrie eine „neue Rohstoffstrategie“ beschert. Die Eckpunkte dieser Strategie (>>>> Elemente einer Rohstoffstrategie der Bundesregierung) umriß Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem BDI-Rohstoffkongreß höchst persönlich.

Zwar ist in der neuen Strategie auch von der Einhaltung ökologischer Mindeststandards und der Transparenzinitiative für die extraktiven Industrien („Extractiv Industries Transparency Initiative (EITI)“ die Rede, die die Kanzlerin „auf dem G8-Gipfel stärken will“. Doch der Kern der Strategie besteht darin, so Merkel, die „Rohstoffinitiativen der Wirtschaft im Ausland (zu) unterstützen“. Dazu will die Bundesregierung die Investitionsgarantien für Rohstoffinvestitionen im Ausland weiter aufstocken. Allein im letzten Jahr stieg das diesbezügliche Garantievolumen im Ausland auf 4,1 Mrd. € - die Bundesregierung liege damit weltweit „im Spitzenfeld“. Ein zweiter Pfeiler der Strategie ist die verstärkte Förderung der Rohstoffproduktivität über Forschung und Entwicklung.

Um die neue Rohstoffstrategie auf den Weg zu bringen, will die Bundesregierung einen Interministeriellen Rohstoffausschuß ins Leben rufen. Darin können dann zwar alle möglichen Ressorts, darunter die „Außen- und Sicherheitspolitik“, mitreden. Wer den Ton angibt, dürfte jedoch nicht schwer zu erraten sein. Die Kanzlerin gegenüber den BDI-Vertretern: „Sie bekommen also das Forum, das sie gewünscht haben.“ – Der kritische Beobachter wundert sich derweil, wie sehr bei allem Globalisierungsgerede die nationalstaatliche Rückendeckung in der Rohstoffsicherung vorrangig bleibt.

Samstag, 17. März 2007

G8-Umweltminister: Der Elefant in ihrer Mitte

Es mag nur ein Punkt gewesen sein, an dem die Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und den übrigen versammelten 12 Umweltministern am 16./17. März in Potsdam offen zutage traten. Aber dieser Punkt ist ein entscheidender: Immer noch weigert sich Washington anzuerkennen, daß die Industrieländer eine besondere Verantwortung für den Klimawandel haben und deshalb auch besonders in die Verantwortung zu nehmen sind, wenn es um dessen Bekämpfung geht. Doch ist es kaum vorstellbar, die großen Schwellenländer, die in Potsdam erstmals mit am Tisch der G8-Umweltminister saßen, bei einem Kyoto-Folgeabkommen mit ins Boot zu bekommen, wenn die US-Position in diesem Punkt nicht korrigiert wird. „Es steht ein Elefant im Raum, über den aber niemand sprechen will“, kommentierte denn auch der südafrikanische Vertreter die Situation.

Nach dem Finanzministertreffen in Essen war dies nun das zweite Mal, daß die Bundesregierung ihren sog. Outreach-Ansatz umgesetzt hat (>>> Die G8 blickt nach Süden). Danach werden jeweils Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika mit an den Tisch geholt, wenn die G8-Größen zusammenkommen (G8+5). In diesem Fall waren so immerhin die Verantwortlichen für über zwei Drittel der Treibausgasemissionen vertreten. Ob dies dazu beiträgt, schneller vom Palaver zur Aktion überzugehen, wie Greenpeace in einer Aktion auf dem Jungfernsee vor dem Tagungsschloß Cecilienhof gefordert hatte (s. Photo und >>> Videolink), muß sich erst noch zeigen.

Außer dem Dissens in Sachen Klimaschutzverantwortung und der fortbestehenden Ablehnung des Emissionshandels durch Washington gab es in Potsdam gewisse Fortschritte, was die Anerkennung der jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel betrifft. Auch soll eine „Potsdamer Initiative zur biologischen Vielfalt 2010“ zu mehr G8-Engagement in puncto Artenschutz führen. Die in der offiziellen Verlautbarung zu dem Treffen verbreitete positive Einschätzung übersieht jedoch, daß Klimaschutz nicht im politischen Vakuum stattfindet, sondern in direkter Konkurrenz mit anderen Politikfeldern, etwa der sog. Energiesicherheit. Was auch von NGOs oft übersehen wird, hat Achim Brunnengräber jetzt in einer ausführlichen Analyse in der neuesten Ausgabe des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung (s. Abbildung; >>> W&E 03-04/2007) heraus gearbeitet: Wie die Geschichte der G8 belegt, gab es im Verhältnis zwischen Klimaschutz und Energiesicherheit stets eine eindeutige Rangfolge, in der die populäre Klimapolitik eindeutig hinter der Energiesicherheit rangierte. Es wäre ein wirklicher Durchbruch, wenn sich daran in Heiligendamm etwas ändern sollte.

Freitag, 16. März 2007

Gewerkschaften fordern G8 zur Regulierung von Hedge-Fonds auf

Gewerkschaftsführer aus über 20 Industrieländern trafen sich heute im Pariser Hauptquartier der OECD, um den Startschuß für eine internationale Kampagne zur öffentlichen Regulierung privater Aktien- und Hedgefonds zu geben. Vor allem die G8- und die EU-Mitgliedsländer müßten sich zu einer gemeinsamen Steuer- und Regulierungspolitik angesichts der Gefahren durchringen, die aus dem spektakulären Wachstum dieser Anlageformen in den letzten Jahren resultierten, erklärten die Gewerkschafter. Vom kommenden G8-Gipfel in Heiligendamm verlangten sie die Einrichtung einer Task Force, die die neuen, von den Finanzmärkten ausgehenden Risiken und die Praktiken der „Heuschrecken“ (Müntefering) untersuchen sollte.

Die Gewerkschaften sorgen sich vor allem um die Arbeitsplätze in den Unternehmen, die unter den Einfluß der Hedgefonds-Manager geraten, und um die Sicherheit von Pensions- und Rentenfonds, wenn diese in hoch spekulative Operationen einbezogen werden. Großzügige Steuererleichterungen hätten im Schatten operierende Anleger dazu ermutigt, mit geliehenem Geld in Unternehmen einzusteigen, die dann rücksichtslos ausgeschlachtet würden. „Durch die rücksichtslose Zurückstutzung von Unternehmen auf ihre Kernfunktionen, die maximale Ausnutzung von Steuerleichterungen und Offshoring werden schnell hohe Gewinne erwirtschaftet. Im schlimmsten Fall wird die spekulative Blase platzen, und während die Arbeitnehmer den höchsten Preis zu zahlen haben, sind sie nicht die einzigen Opfer. Die Verluste von Pensionsfonds könnten Millionen treffen“, schreibt der Generalsekretär des britischen Gewerkschaftskongesses (TUC), Brendan Barber, heute in einem Gastbeitrag in der Financial Times.

Von Seiten der Bundesregierung gibt es zaghafte Versuche, das Thema im Rahmen der G8-Agenda nach vorne zu bringen. Allerdings konnte Finanzminister Steinbrück auf dem letzten G7-Treffen in Essen nur sehr stark verwässerte Formulierungen durchsetzen (>>> G7-Treffen in Essen: Scheindebatten und enttäuschte NGOs).

Oxfam drängt Blair, G8-Engagement für Afrika zu sichern

Anläßlich der zweijährigen Wiederkehr der Veröffentlichung der Empfehlungen der Afrika-Kommission in dieser Woche hat Oxfam den britischen Ministerpräsidenten Tony Blair gewarnt, sein Afrika-Engagement könne eine unbedeutende Fußnote seiner Amtszeit bleiben, wenn es ihm nicht gelänge, seine G8-Kollgen dazu zu bringen, die auf dem Gleneagles-Gipfel gegebenen Zusagen über eine Aufstockung der Entwicklungshilfe rasch in bare Münze umzusetzen. Angesichts seiner nach dem Gipfel in Heiligendamm zu Ende gehenden Amtszeit habe Blair nicht mehr viel Zeit, mit seiner afrikapolischen Vision ernst zu machen.

Die letzten offiziellen Zahlen der OECD weisen für das Jahr 2005 zwar eine beeindruckende Steigerungsrate der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) von 32% aus. Doch wenn die Schuldenstreichungen für Irak und Nigeria heraus gerechnet werden, war die Afrika-Hilfe in 2005 sogar um 2,1% rückläufig.

Bislang ist nicht erkennbar, wie die deutsche G8-Präsidentschaft diesen Trend stoppen will, im Gegenteil: „Beim Thema Afrika strebt Deutschland bewußt eine andere Schwerpunktsetzung als in früheren G8-Präsidentschaften an“, heißt es in einer Mitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie an den Deutschen Bundestag. Hauptpunkt ist hier die Sicherung der privaten „Investitionsfreiheit“ durch bessere „good governance“ der Afrikaner. Garniert wird dies mit Ersatzinitiativen, wie der geplanten G8-Initiative für einen Mikrokredit-Fonds, den die Weltbank verwalten soll, und mehr Geld für die AIDS-Bekämpfung.

Vielleicht hat das den Direktor des Millenniumprojekts der Vereinten Nationen, Jeffrey Sachs, kürzlich zu dem Kommentar veranlaßt:

„Deutschland kann (auf dem Heiligendamm-Gipfel; RF) einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung Afrikas leisten, nicht indem es neue Versprechungen hinzufügt, sondern indem es gewährleistet, daß die bereits gemachten umgesetzt werden. Am wichtigsten ist bislang das G8-Versprechen von 2005, die Hilfe für Afrika von 25 Mrd. Dollar in 2004 auf mindestens 50 Mrd. in 2010 zu verdoppeln. Jetzt müssen die G8 Zeitpläne zur Steigerung der Hilfe für jedes Empfängerland – geknüpft an dessen vernünftige Regierungsführung – vorlegen, damit die afrikanischen Länder planen und die mehrjährigen Investitionen unternehmen können, die ihre langfristige Entwicklung entscheidend voran bringen können.“

Donnerstag, 15. März 2007

Willkommen im G8-Blog des Informationsbriefs Weltwirtschaft & Entwicklung und der Heinrich-Böll-Stiftung

Von Rainer Falk und Barbara Unmüßig

Die Vorbereitungen auf den G8-Gipfel in Heiligendamm sind in vollem Gang - diesseits wie jenseits des Zauns. Die Bundesregierung läßt ihn derzeit bauen, damit die Konferenz wie in den letzten Jahren in aller Abgeschirmtheit stattfinden kann. Während es "draußen" vor allem an inhaltlicher Debatte fehlt, wurden bislang auch "drinnen" kaum Weichen gestellt, um von diesem Gipfel wirklich neue entwicklungs- oder umweltpolitische Signale ausgehen zu lassen oder wenigstens alte Versprechen einzulösen.

Dieser Blog will ein Beitrag zur inhaltlichen Auseinandersetzung beim Endspurt auf den Gipfel sein. Regelmäßig - und je näher der Gipfel rückt, umso häufiger - werden wir an dieser Stelle Kurzberichte und Zusammenfassungen von den Vorbereitungstreffen sowie Kommentare zum aktuellen Geschehen platzieren. Wir werden über die offiziellen Zusammenkünfte der G7- und G8-Minister ebenso berichten wie über die zahlreichen Veranstaltungen der Zivilgesellschaft. Wir wollen mehr Licht und Transparenz in die Vorbereitung zu einem Gipfeltreffen bringen, das sich seit nunmehr über 30 Jahren anschickt, als exklusiver Klub die Geschicke der Weltentwicklung zu bestimmen. Und wir wollen zur Diskussion über Reformen und Alternativen anregen.

Bewußt haben wir das Medium eines Blogs gewählt, weil dieses sich zur Verlinkung und Vernetzung besonders anbietet und auch spontane Interventionen und Kommentare zuläßt. Unser G8-Blog wird im wesentlichen von Rainer Falk getextet werden. Dazu sollen jedoch zahlreiche Gastkommentare kommen. Lassen Sie sich die neuesten Neuigkeiten im Blog per RSS-Feed direkt auf Ihrem Rechner anzeigen, fügen Sie unsere Blog-Adresse zur Liste Ihrer Favoriten hinzu und schauen Sie einfach öfter einmal bei uns herein! Wir laden alle Interssierten herzlich ein, von unserem neuen Angebot regen Gebrauch zu machen. In diesem Sinne:

Frohes Bloggen!

Rainer Falk ist Herausgeber von Weltwirtschaft & Entwicklung, Barbara Unmüßig ist Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung.

Donnerstag, 8. März 2007

Deutsche NGOs: TÜV für die Mächtigen

In eigenartigem Kontrast zu der meist verbalradikalen Rabulistik der G8-Protestler kommt ein Positionspapier zum G8-Gipfel in Heiligendamm daher, das zur Zeit bei den deutschen Nichtregierungsorganisationen zur Unterschrift zirkuliert. Während die G8 ihre Legitimität bei vielen längst verspielt hat, wollen die VerfasserInnen des NGO-Papiers die Mächtigen ein weiteres Mal zum TÜV schicken. "Glaubwürdigkeit der Mächtigen auf dem Prüfstand", lautet der Titel des unter Federführung des Forums Umwelt & Entwicklung und der G8-NGO-Plattform erarbeiteten Papiers, in dem handzahme mit weiterreichenden Forderungen eine Koexistenz eingegangen sind.

Beispiele: Im Afrika-Teil wird verlangt, den Wachstumsfokus der G8 zugunsten von "Pro-Poor-Growth" zu überwinden; die Handelspolitik mit Afrika müsse "gerechter" werden und die Spielräume des Kontinents wahren. Beim geistigen Eigentum müsse der Nutzen für viele vor dem Profit für wenige kommen. Die internationale Investitionspolitik dürfe nicht nur die Interessen der Investoren im Auge haben, sondern auch deren (soziale, ökologische, menschenrechtliche und steuerliche) Pflichten. Umweltpolitisch bringt das Papier die bekannten Forderungen für eine globale Klimawende, eine Effizienzrevolution im Rohstoff- und Energieverbauch und den Erhalt der Biodiversität. Auf allen diesen Gebieten sollte die G8 Anstöße geben. Warum eigentlich die G8?

Interessant ist, daß das Papier zwei Themenkomplexe völlig ausklammert, die in Heiligendamm eine bedeutende Rolle spielen werden: die viel zitierte Problematik der "globalen Ungleichgewichte" und die Zukunft der Gipfelarchitektur selbst. Im klimapolitischen Teil tut das Paper so, als sei die von der Bundesregierung eingeleitete Öffnung des G8-Prozesses für die sog. fünf Outreach-Länder (O5: Brasilien, China, Indien, Mexiko, Südafrika) bereits der Weisheit letzter Schluß. "Die G8-Staaten sollen sich gemeinsam mit den G5-Staaten zu dem Ziel bekennen ..." und "Die G8 plus G5-Staaten sollen anerkennen ...", heißt es dort. Ob das den O5-Ländern wohl so recht ist? Grund genug gibt es jedenfalls für einen G8-Blog wie diesen, in dem gerade diese Themen nicht zu kurz kommen werden.

Dienstag, 6. März 2007

Stiglitz: Mit einem Shadow-Report zum G8-Gipfel

Mit einem Schattenbericht werden der Nobelpreisträger für Wirtschaft, Joseph Stiglitz, und andere renommierte Wirtschaftswissenschaftler Anfang Juni nach Berlin kommen. Ein vorbereitendes Treffen der "G8 Shadow Group" fand bereits Anfang Februar, organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung und erlaßjahr.de sowie der Initiative for Policy Dialogue an der Columbia University in New York statt. Beiträge kamen u.a. von Colin Bradford und Johannes F. Linn (Brookings Foundation), K.Y. Amoako (ehemaliger Exekutivsekratär der UN-Wirtschaftskommission für Afrika), John Evans (Internationaler Gewerkschaftsbund ITUC), Kunibert Raffer (Wirtschaftsuni Wien), Heiner Flassbeck (UNCTAD) und Paul Martin (ehemaliger Premierminister Kanadas).

Auf der Basis einer Reihe von Papieren, die in New York vorgelegt wurden, wird die Wirtschaftswissenschaftlerin Stephanie Griffith-Jones (University of Sussex) jetzt den Bericht erstellen. Er soll sich auf Probleme der ökonomsichen Global Governance konzentrieren und wird, soviel kann schon nach der Durchsicht der New Yorker Papiere gesagt werden, weit über die offizielle G8-Agenda hinaus gehen. Geht es nach Jo Stiglitz und seinen Mitinitiatoren, soll der Gipfel in Heiligendamm der letzte traditionelle G8 werden. So sollten die G8 an der Ostsee ein Procedere in die Wege leiten, in dessen Ergebnis sie in einem größeren und repräsentativeren Gipfelforum, z.B. einer G24, aufgehen - als Einstieg in einer demokratische Reform der Global-Governance-Strukturen (s.auch: Einstieg in die Reform der Global Governance >>> W&E-Hintergrund Jul-Aug 2006). In der Liste der Empfehlungen steht auch, daß die G8 in Heiligendamm beschließen sollen, mit der Praxis Schluß zu machen, daß der US-Präsident den Präsidenten der Weltbank und die Europäer den Direktor des IWF ernennen.