Samstag, 2. Juni 2007

Gastkommentar: Das Dilemma des G8-Protestes

Von Jens Martens

Ein Gewinner des G8-Gipfels steht bereits fest, bevor die Hubschrauber der Staats- und Regierungschefs in Heiligendamm gelandet sind: Es ist die globalisierungskritische Bewegung in Deutschland. Sie erreichte im Vorfeld des Gipfels eine beispiellose öffentliche Mobilisierung und mediale Präsenz. Die Hoffnungen von attac-Aktivisten, der G8-Gipfel würde zur „Frischzellenkur“ für die Globalisierungskritiker, haben sich erfüllt.

Die Kehrseite der Medaille: Durch ihre massiven Protestaktionen verschaffen die zivilgesellschaftlichen Gruppen den Staats- und Regierungschefs der G8 erst die mediale Aufmerksamkeit, die deren Presseabteilungen und Medienberater allein nie erreichen würden. Indem sie sich auf die G8 – wenn auch kritisch – beziehen, tragen sie eher zur institutionellen Festigung dieses exklusiven Clubs statt zu seiner Delegitimierung bei. Indem sie katalogweise Forderungen à la „Rettet das Klima“, „Streicht die Schulden“ oder „Löst die Probleme Afrikas“ an die G8 richten, schüren sie Omnipotenzillusionen und tragen ungewollt dazu bei, daß die sieben Männer und eine Frau zu Heilsbringern stilisiert werden – eine Rolle, die diese weder spielen können noch sollen.

Wird die G8 derart ins Zentrum der globalisierungskritischen Auseinandersetzung gerückt, verwundert es nicht, daß auch Forderungen nach der „Demokratisierung“ des Global Governance-Systems sich hauptsächlich an der G8 als Institution abarbeiten. Aber die in diesem Zusammenhang immer wieder geforderte Öffnung der G8 für eine Handvoll Regionalmächte (insbesondere die „O5“) und Fototermine mit einigen afrikanischen Staatschefs machen diesen „Members only“-Club weder demokratischer noch repräsentativer. Treffen der G8-Sherpas und der Bundeskanzlerin mit handverlesenen VertreterInnen der Zivilgesellschaft mögen das politische Standing der beteiligten NGOs erhöhen und gegenüber der Öffentlichkeit ein Bild der Gesprächsbereitschaft und Offenheit vermitteln – sie lenken von den strukturellen Defiziten an Repräsentativität und Transparenz der G8 eher ab, als daß sie sie überwinden.

Überflüssig sind aber auch Forderungen, die G8 durch ein neues Gremium zu ersetzen, in dem die Länder des Südens gleichberechtigt vertreten sind und zivilgesellschaftliche Organisationen ein verbrieftes Mitspracherecht haben. Denn ein solches Gremium muß nicht neu erfunden werden: Mit dem ECOSOC, dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen, besteht es bereits seit über 60 Jahren. Daß dieser Rat seine Funktionen bislang nicht erfüllte, hat machtpolitische Gründe. Denn unter seinen 54 Mitgliedern sind die G8-Länder in der Minderheit (Die Reform des ECOSOC: Eine unendliche Geschichte? >>> W&E-Hintergrund Nov 2007). Kein Wunder, daß sie in der Vergangenheit keine ernsthaften Anstalten unternommen haben, den Rat mit Leben und vor allem mit politischer Entscheidungsgewalt auszustatten. Erst jüngst haben die Regierungen in der UNO-Generalversammlung nun beschlossen, den ECOSOC zu stärken. Zivilgesellschaftliche Organisationen könnten die Regierungen bei der nächsten Tagung des Rates an diesen Beschluß erinnern. Er findet vier Wochen nach dem Heiligendamm-Gipfel in Genf statt. Sich dort zu engagieren, ist mühsam und weder spektakulär noch medienwirksam – aber auf lange Sicht vielleicht „nachhaltiger“, als bunte Strohfeuer rund um den Zaun von Heiligendamm zu entfachen.

Jens Martens ist Mitherausgeber von W&E und Geschäftsführer des Global Policy Forum Europe in Bonn.

1 Kommentar:

Carstl hat gesagt…

Gipfel brauchen Kritik!

Deine Kritik an der Gipfel-Kritik in allen Ehren. Das die Globalisierungskritik auch Früchte trägt ist trotzdem offenkundig. Schon im Vorfeld wurde ebensoviel über die Kritiker berichtet, wie über den Gipfel selbst. Die acht müssen sich rechtfertigen für das was sie tun. Das ist immer der erste Schritt für eine Veränderung.



Dein Plädoyer für die UNO hat im übrigen auch einen Haken: Auch die UN sind keinesfalls demokratisch aufgebaut. Fünf Nationen dürfen dort alles entscheiden, indem sie alle anderen Vorschläge jederzeit und unbegrenzt mit ihrem Veto aufhalten können. Das ist kaum ein signifikanter Unterschied zur G8 in meinen Augen.

Ebenso ließe sich das für Weltbank und Int. Währungsfond ausführen, die ja UN-Institutionen sind.


Der einzige Weg diese Ungleichheiten zu überwinden ist verstärkte Kritik und verstärkter Widerstand gegen die Institutionen, die diese Ungleichheiten hervorrufen.

Es ist schade, dass in Rostock nur so wenige unterwegs waren, und dass es nicht gelungen ist die friedliche Demonstration von den militanten Aktionen frei zu halten.

Gegenseitige Anerkennung der Protestformen bedeutet auch friedlichen Protest nicht durch idiotischen Hooliganismus zu zerstören. Ich weiß nicht, was sich diese Leute dabei gedacht haben und welches Ziel sie damit verfolgten. Wahrscheinlich haben sie gar nicht gedacht.

Nun lasst uns wenigstens die Camp-Aktivitäten zum Erfolg machen.

Grüße vom G8-Seminar!

Carsten